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  • Psychische Gesundheit muss Teil der gesundheits-politischen Agenda jeder Partei sein.

    Diana Doko, Freunde fürs Leben e.V.
    Foto: Tom Wagner

Parteiencheck: Psychische Gesundheit

Am 26. September ist Bundestagswahl – aber Ihr habt keine Lust, Euch die Wahlprogramme komplett durchzulesen? Freunde fürs Leben haben es gemacht und sind der Frage nachgegangen:

Was haben die derzeit sechs im Bundestag vertretenen Parteien zur Vorsorge, Aufklärung und Versorgung von psychischen Erkrankungen geplant?

Ab dem 10. September – dem Welttag der Suizidprävention – versorgen wir Euch bis zum Wahltag auf Instagram, Facebook und hier auf der Website mit

  • übersichtlichen Informationen zu den Inhalten der Wahlprogramme
  • Statements von Vertreter:innen der Parteien zu konkreten Maßnahmen
  • und Interviews mit jungen Kandidat:innen zu ihren Vorhaben.

Warum das Ganze?

Wir wollen, dass Ihr informiert seid.

Wir wollen Euch den Stellenwert von psychischer Gesundheit in der Politik verdeutlichen.

Wir wollen, dass Ihr wählen geht.

Die Wahlprogramme in der Übersicht

DAS FAZIT AUS DEN WAHLPROGRAMMEN

Während CDU/CSU und SPD sich auf den Ausbau des psychotherapeutischen Angebots fokussieren wollen, geben Die Grünen, Die Linke und die FPD zudem konkrete Ansätze zur Prävention und Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen.

Das Wahlprogramm der AfD enthält keinerlei Hinweise auf Maßnahmen, die die psychischen Gesundheit betreffen.

Um mehr über die konkreten Maßnahmen der Parteien zu erfahren, haben wir uns direkt an Vertreter:innen der jeweiligen Parteien gewandt und ihnen Fragen zu ihrem Wahlprogramm gestellt. Was ihre Antworten waren, könnt Ihr hier nachlesen.

Das sagen die Vertreter:innen der Parteien

CDU/CSU

Von der CDU/CSU haben wir bis zum Redaktionsschluss keine Antwort erhalten.

Dirk Heidenblut MdB von der SPD

Welchen Stellenwert nimmt die Förderung von psychischer Gesundheit auf der politischen Agenda Ihrer Partei ein?

Die Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion hat im Juni ein Positionspapier zu Eckpunkten einer modernen psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland beschlossen. Für uns spielt das Thema psychische Gesundheit eine entscheidende Rolle bei der Sicherung unserer Gesundheit in der Zukunft, besonders nach unseren Erfahrungen während der Pandemie und den Auswirkung aus den Erfahrungen, die wir jetzt angehen müssen. Unsere Aufmerksamkeit ist auf bestehende Probleme in der Versorgung als auch zukünftige Herausforderungen an eine gute und gerechte psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung für alle Bürger*innen gerichtet.

Lange Wartezeiten auf Therapieplätze, unzureichende Angebote gerade für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oder Traumatisierungen, fehlende Vernetzung der unterschiedlichen Strukturen, unzureichende Finanzierung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der Psychotherapie, diese und viele weitere Probleme gilt es endlich konsequent anzugehen.

Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie werden zusätzlich die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung in Deutschland in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit rücken. Schon während der Corona-Krise geht es Menschen mit bereits bestehenden psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen schlechter als vor der Krise. Gerade Kinder und Jugendliche leiden extrem unter den Auswirkungen der Isolation und des Wegfalls von persönlichen Begegnungen sowie Kita- und Schulbesuch. Aber auch Erwachsene, die sich vor der Pandemie als psychisch stabil beschrieben hätten, wurden von der Pandemie kalt erwischt. Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen sowie Fehltage aufgrund psychischer Belastungen nehmen zu.

Im Parteiprogramm Ihrer Partei steht: “Wir werden auch die ambulante und integrierte psychotherapeutische Versorgung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene stärken, damit sie niedrigschwellig und ohne lange Wartezeiten allen zugänglich ist.” Welche Maßnahmen werden Sie konkret ergreifen, um Therapieangebote schneller möglich zu machen? Was bedeutet Niedrigschwelligkeit dabei?

Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben einen komplexen Behandlungsbedarf. Mit der Komplexbehandlung setzen wir auf die Zusammenarbeit vieler Berufsgruppen über die ambulanten und stationären Sektorengrenzen hinweg.

Die Hilfsangebote müssen besser vernetzt, ausgestattet und zugänglich sein. Dort, wo es notwendig ist, muss das Angebot erweitert und flexibilisiert werden. Wir benötigen beispielsweise eine leitlinienorientierte Traumabehandlung für Menschen, die sexuellen Missbrauch, körperliche und psychische Gewalterfahrungen oder Diskriminierung erleben oder erlebt haben. Dabei sind flexiblere Behandlungsmöglichkeiten auch über längere Zeiträume hinweg ins Auge zu fassen.

Das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in Auftrag gegebene Gutachten aus dem Jahr 2018 hat einen erheblichen Mangel an Kassensitzen für Psychotherapeut*innen und damit einen deutlichen Handlungsbedarf aufgezeigt. Die 776 neuen Sitze, die im Jahr 2019 zugelassen wurden, sind weitaus zu wenig. Darum werden wir uns dafür einsetzen, dass ein neuer Auftrag an den G-BA gegeben wird, die Bedarfsplanungsrichtlinie dahingehend zu überarbeiten, dass die Schaffung der benötigten Anzahl an Psychotherapeut*innensitze sichergestellt wird.

Zudem muss es eine transparente Übersicht über den tatsächlichen Bedarf insbesondere auch über die bei den Kassen laufenden und abgeschlossenen Verfahren zur Kostenerstattung geben.

Wie soll in Zukunft Psychotherapie finanziert werden, damit Betroffene niedrigschwellig und egal aus welchem sozialen Umfeld, Zugang zu Hilfe erhalten?

Eine leitliniengerechte Versorgung lässt sich nur erreichen, wenn jede Region auf die vorhandenen Strukturen zurückgreifen und diese in Richtung auf umfassende Leistungserbringung und Vernetzung stärken kann.

Es bedarf einer Stärkung der ambulant-aufsuchenden, an der persönlichen Lebenswelt der Betroffenen orientierten Angebote und einer Zusammenführung und Vernetzung aller Einzelbausteine zu integrierten Komplexleistungen, denn ambulante Leistungen wie Sozio- und Ergotherapie, psychiatrische Krankenpflege und medizinische Rehabilitation stehen bisher nicht flächendeckend zur Verfügung. Zudem muss es endlich auch eine abgestimmte Vorgehensweise mit der Gemeindepsychiatrie und deren konsequente Einbindung geben.

Wir verfolgen eine konsequente Vernetzung innerhalb des bestehenden Hilfesystems und wollen die bisherigen Barrieren durch unterschiedliche Zuständigkeiten und Finanzierungshindernisse überwinden.

Dafür möchten wir beispielsweise SGB – übergreifende einheitliche Komplexleistungen in der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche ermöglichen, so wie das bereits in der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern“ gefordert wurde.

Wir wollen gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und den Sozialversicherungsträgern einen Handlungsrahmen für ein kommunales Gesamtkonzept zur Entwicklung, Umsetzung, Evaluation und Verstetigung multiprofessioneller, qualitätsgesicherter und rechtskreisübergreifender Hilfssysteme erstellen.

Weiter heißt es in Ihrem Programm: “Wir werden darüber hinaus Programme in den Bereichen Prävention und Krankheitsfrüherkennung fördern, die die Besonderheiten verschiedener Altersgruppen und Geschlechter berücksichtigen.” Welche Präventionsangebote werden Sie für psychische Gesundheit und im Bereich der Suizidprävention konkret schaffen?

Wir begrüßen, dass das „Nationale Suizidpräventionsprogramm“ (NASPRO) seit 2002 in mehreren Arbeitsgruppen mit verschiedenen Schwerpunkten an der Entwicklung von Rahmenbedingungen und Handlungsempfehlungen für wirkungsvolle, regional angepasste Strukturen für eine bessere Primärprävention (allgemeine suizidpräventive Maßnahmen), sekundäre (Erkennung und Behandlung suizidgefährdeter Menschen) und tertiäre Prävention (Versorgung von Personen nach einem Suizidversuch) arbeitet.

Die Handlungsempfehlungen des Nationalen Suizidpräventionsprogramms zur Verbesserung der Suizidprävention müssen jedoch noch stärker berücksichtigt und umgesetzt werden. Prävention psychischer Krankheiten und die Förderung der seelischen Widerstandskraft (Resilienz) muss ressortübergreifend wahrgenommen und gemeinsam mit den Ländern präventive Maßnahmen vorangetrieben werden. Wir müssen darauf hinzuwirken, dass psychischen Erkrankungen gar nicht erst entstehen und falls doch, sie frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Wir setzen uns dafür ein, Präventionsmaßnahmen zu fördern, die niedrigschwellig und schnell zugänglich sind und auch regionale Besonderheiten aufgreifen. Dazu sollte auch das freiwillige Engagement im Bereich Suizidprävention noch stärker finanziell unterstützt werden und sollten Selbsthilfeangebote für Angehörige und Nahestehende von suizidgefährdeten Menschen gefördert werden.

Siehe auch Frage 2:

Die 776 neuen Sitze, die im Jahr 2019 zugelassen wurden, sind weitaus zu wenig. Darum werden wir uns dafür einsetzen, dass ein neuer Auftrag an den G-BA gegeben wird, die Bedarfsplanungsrichtlinie dahingehend zu überarbeiten, dass die Schaffung der benötigten Anzahl an Psychotherapeut*innensitze sichergestellt wird.

Zudem muss es eine transparente Übersicht über den tatsächlichen Bedarf insbesondere auch über die bei den Kassen laufenden und abgeschlossenen Verfahren zur Kostenerstattung geben.

Mit dem Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen haben wir eine Möglichkeit geschaffen, dass Familien, Kinder und Jugendliche leichter und schneller ortsnahe Hilfe bekommen. In Notsituationen können sie sich an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden und dort unbürokratisch – ohne Antrag und ohne Amt – eine Hilfe zur Bewältigung ihres Alltags erhalten.

Wir werden weiterhin darauf hinzuwirken, dass für Jugendliche sowie junge Erwachsene im Zeitraum des Übergangs von der Schule, Ausbildung bzw. dem Studium zum Erwerbsleben spezielle Hilfsangebote, wie die Schulsozialarbeit bestehen die auf die Zielgruppe zugeschnitten sind.

Im Jahr 2020 wurde die das ressortübergreifende Projekt Offensive Psychische Gesundheit auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie mit Organisationen, die im Bereich der Prävention tätig sind, geründet. Ziel ist mehr Offenheit und Sensibilisierung für die Menschen mit psychischen Erkrankungen du den Umgang mit ihnen zu schaffen. Dazu sollen die Akteure untereinander besser zu vernetzt und deren Hilfsangebote besser koordiniert werden.

Gute Programme in den Bereichen Prävention und Krankheitsfrüherkennung, die die Besonderheiten verschiedener Altersgruppen und Geschlechter berücksichtigen, beinhalten auch die Nutzung der digitalen Angebote im Gesundheitswesen allen Menschen gleichermaßen nach freiwilliger und informierter Entscheidung möglich sein. Dazu sind die nötigen Voraussetzungen bezogen auf Finanzierung im Regelsystem, Aus- und Weiterbildung sowie Beratung und Information zu schaffen.

Die Patient*inneninteressen müssen maßgebend sein, Patient*innenvertretungen und Verbraucherschutz sind daher in geeigneter Form in alle Entscheidungsprozesse verpflichtend einzubinden.

Jedes Jahr nehmen sich rund 10.000 Menschen in Deutschland das Leben. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Drogen und AIDS zusammen. Wir fordern seit Jahren eine nationale Aufklärungskampagne zu psychischer Gesundheit, wie es sie z.B. für Alkohol- und Drogenmissbrauch oder AIDS gibt. Auch gibt es keine Aufklärungsmaterialien zum Thema psychische Gesundheit und Suizid bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wie erklären Sie diesen Missstand?

Suizidprävention ist eine gesamtgesellschaftliche und politikbereichsübegreifende Querschnittsaufgabe. Daran beteiligt sind staatliche und nicht-staatliche Akteure, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit vielen unterschiedlichen Maßnahmen gemeinsam an dem Thema arbeiten.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist nur ein Baustein in einem Portfolio von Angeboten zur Information und Aufklärung bezüglich psychischer Erkrankungen und ihren Folgen. In Deutschland gibt es zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene und Angehörige. Unterschiedliche Träger richten ihre Angebote an bestimmte Ziel- und Altersgruppen, aber auch an die gesamte Bevölkerung. Die Homepage der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) versucht einen Überblick über die unterschiedlichen Hilfsangebote unter www.suizidprophylaxe.de zu geben.

Die Finanzierung von Projekten, in denen junge Menschen im Rahmen von Suizidprävention anonym und online beraten werden, haben wir durch das Bundesministerium für Familien, Frauen, Senioren und Jugend (BMFSFJ) sichergestellt. In diesem Caritas U-25 Projekt werden jährlich 300 junge Menschen im Rahmen von Suizidprävention von speziell ausgebildeten Ehrenamtlichen gleichen Alters an 10 Standorten in Deutschland online beraten. Während der Corona-Pandemie wurde die Förderung sogar aufgestockt.

Das Bündnis gegen Depression e.V. ist beispielsweise ein unabhängiger, gemeinnütziger, deutschlandweit tätiger Verein für Betroffene und Angehörige, Experten und in der Versorgung tätige Personen, an dessen Gründung in Essen 2007 ich beteiligt war. Das Bündnis hat sich zum Ziel gemacht, einen Beitrag zur besseren Versorgung depressiv erkrankter Menschen und zur Reduktion der Zahl der Suizide in Deutschland zu leisten. Wir machen beispielsweise regelmäßig Veranstaltungen in Schulen oder bei der Polizei, um die Aufmerksamkeit für diese Erkrankung bei Patient*innen, Angehörigen, Ärzt*innen, Pflegekräften und öffentlichen Entscheidungsträger*innen, aber auch bei Kindern, Jugendlichen und Lehrer zu erhöhen sowie Informationsdefizite abzubauen.

Das Bundesministerium für Gesundheit fördert aktuell ein Projekt des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland (NaSPro), in dem zunächst mit einer Bestandsanalyse ein Überblick geschaffen werden soll über die verschiedenen Behandlungs- und Hilfsangebote in Deutschland sowie über spezielle Projekte für bestimmte Risikogruppen. In einem zweiten Schritt wird der inhaltliche und strukturelle Bedarf herausgearbeitet. Auf dieser Basis werden dann Empfehlungen für die Weiterentwicklung einer nationalen Struktur der Suizidprävention entwickelt. Für das dreijährige Projekt stehen Mittel in Höhe von 326.000 Euro zur Verfügung. Auch hier werden Ergebnisse voraussichtlich Mitte des Jahres 2021 vorliegen.

Auf Basis der Erkenntnisse aus den Ergebnissen werden wir gezielte Informationskampagnen und Angebotsstrukturen entwickeln oder bereits erfolgreiche bestehende Angebote weiterentwickeln.

Wie fördern Sie die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft?

Die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ist ein wichtiger Meilenstein, um die Situation der Betroffenen und ihren Angehören zu verbessern. Deshalb haben wir Haushaltsmittel im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bereitgestellt, das seit dem 2006 im Rahmen von Projektförderungen das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, eine bundesweite Initiative in Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) unterstützt.

Mit seinen inzwischen über 100 Mitgliederorganisationen setzt sich das Bündnis für einen offenen und toleranten gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen und den Abbau von Stigmatisierung in der Gesellschaft ein.

Auf Initiative u.a. unserer Fraktion werden seit 2017 Mittel des Bundes für die Forschung sowie die Weiterentwicklung von Maßnahmen zur Aufklärung und Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen zur Verfügung gestellt. Das BMG hat daraufhin einen Förderschwerpunkt zur Suizidprävention eingerichtet und fördert derzeit insgesamt 14 Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 5 Mio. Euro. Damit sollen bestehenden Hilfs- und Beratungskonzepte wissenschaftlich bewertet und neue Maßnahmen und Konzepte zur Vermeidung von Suizidversuchen oder Suiziden entwickelt werden.

Die ausgewählten Projekte berücksichtigen unterschiedliche Themenfelder sowie unterschiedliche Zielgruppen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Konzepte zeitnah umgesetzt werden können.

Dr. Wieland Schinnenburg MdB von der FDP

Welchen Stellenwert nimmt die Förderung von psychischer Gesundheit auf der politischen Agenda Ihrer Partei ein?

Psychische Gesundheit ist uns Freien Demokraten ein wichtiges Anliegen. Es kann nicht sein, dass man in Deutschland auf eine Richtlinientherapie in Deutschland so lange warten muss.

Die Situation hat sich durch die Corona-Pandemie bzw. die staatlichen Reaktionen darauf verschärft. Ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie leidet fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten. Ängste, Sorgen und depressive Symptome haben bei den 7- bis 17-Jährigen im Laufe der Pandemie zugenommen. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie sind die Möglichkeiten zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben von Kindern und Jugendlichen extrem eingeschränkt.Auch viele Eltern fühlen sich durch die anhaltende Pandemie und das Homeschooling belastet und zeigen vermehrt depressive Symptome.

Bereits im Mai 2020 haben wir einen Antrag zur Sicherstellung einer zeitnahen psychotherapeutischen Versorgung während der Pandemie gestellt (Drs: 19/19416). Bisher hat die Bundesregierung die psychischen Belastungsfaktoren der Pandemie jedoch kaum in den Blick genommen. Daher haben wir in unserem Antrag „Psychische Gesundheit während und nach der COVID-19-Pandemie stärken“ ein wissenschaftlich fundiertes zielgruppenspezifisches Konzept zur Prävention von psychischen Störungen und Resilienzförderung gefordert, welches die pandemiebedingten Risikofaktoren adressiert. Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit sowohl von erwachsenen Menschen als auch von Kindern und muss in einer unabhängigen Studie untersucht werden.

Insgesamt sind wir der Überzeugung, dass durch zeitnahe Behandlungsangebote nicht nur individuelles Leiden, sondern auch die volkswirtschaftlichen Kosten durch lange Krankschreibungen und Erwerbsminderungsrenten reduziert werden.

Im Parteiprogramm Ihrer Partei steht: “Wir Freie Demokraten wollen die Wartezeiten auf einen Therapieplatz reduzieren, den Ausbau von Therapieplätzen fördern, Prävention und Aufklärung stärken sowie die Ausbildung der psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterentwickeln.” Welche Maßnahmen werden Sie konkret ergreifen, um Therapieangebote schneller und für mehr Menschen erreichbar zu machen?

Das Fundament einer guten ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung ist ein schneller Zugang. Die aktuelle Wartezeit auf einen Therapieplatz ist viel zu lang und sollte deutschlandweit auf unter zwei Wochen gesenkt werden!

Es gibt in Deutschland genug gut ausgebildete Psychotherapeuten, man muss sie nur zur Versorgung von gesetzlich Versicherten zulassen. Langfristig ist die Abschaffung der Zulassungsbeschränkung für Psychotherapeuten erstrebenswert. Bis dies erreicht ist, muss die Bedarfsplanung verbessert werden, um den konkreten regionalen Bedarf zu adressieren. Dafür wollen wir Anzahl der Kassensitze für Psychotherapeuten deutlich erhöhen. Schulpsychologische Beratungsangebote wollen wir ausbauen. Schulsozialarbeiter sollen an jeder Schule verfügbar sein.

Wie soll in Zukunft Psychotherapie finanziert werden, damit Betroffene niedrigschwellig und egal aus welchem sozialen Umfeld, Zugang zu Hilfe erhalten?

Psychotherapie muss weiterhin von der Kasse übernommen werden. Die Hürden zu einer kassenfinanzierten Psychotherapie sind leider häufig hoch, da die Psychotherapeuten mit Kassensitz lange auf ihre Zulassung warten müssen.

Privatpraxen unterstützen die ambulante vertragspsychotherapeutische Versorgung, indem sie in erheblichem Umfang Leistungen im Rahmen der Kostenerstattung erbringen. Das Kostenerstattungsverfahren ist jedoch oft ein langwieriger, bürokratischer Prozess, der immer häufiger abgelehnt wird.

Menschen in Not zu Psychotherapeuten ohne Therapiekapazitäten zu schicken, wie es die Terminservicestellen praktizieren, ist nicht sinnvoll. Es führt also kein Weg um mehr Kassenplätze herum. Wie bereits dargelegt, sollte langfristig die Zulassungsbeschränkung für Psychotherapeuten ganz abgeschafft werden, ähnlich wie bei den Zahnärzten.

Welche Präventionsangebote werden Sie für psychische Gesundheit und im Bereich der Suizidprävention schaffen?

Wir Freie Demokraten wollen das Präventionsgesetz reformieren. Wir setzen auf Überzeugung statt Bevormundung. Wir wollen Kindern und Jugendlichen bereits in Kindergärten, Schulen und in der Ausbildung einen gesunden Lebensstil vermitteln, dazu gehört natürlich auch die Förderung von psychischer Gesundheit.

Wie bereits dargelegt, sind wir der Überzeugung, dass die pandemiebedingten Belastungs- und Risikofaktorenfaktoren insbesondere bei unseren Jüngsten adressiert werden müssen. Im Sinne eines lebenslangen Gesundheitslernens sollen aber auch Erwachsene entsprechende Informationen erhalten können.

Der Prävention, Krankheitsfrüherkennung und Gesundheitsförderung kommen eine wichtige Bedeutung zu, die nicht nur das Gesundheitswesen umfasst, sondern altersunabhängig die gesamte Gesellschaft.

Jedes Jahr nehmen sich rund 10.000 Menschen in Deutschland das Leben. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Drogen und AIDS zusammen. Wir fordern seit Jahren eine nationale Aufklärungskampagne zu psychischer Gesundheit, wie es sie z.B. für Alkohol- und Drogenmissbrauch oder AIDS gibt. Auch gibt es keine Aufklärungsmaterialien zum Thema psychische Gesundheit und Suizid bei der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung. Wir lesen in Ihrem Parteiprogramm: “Schließlich fordern wir eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen”.

Auf welche Art und Weise soll diese Kampagne durchgeführt werden? Welche Menschen sollen erreicht werden? Welche Akteur:innen werden Sie bei der Kampagne einbeziehen? Wie können Sie eine Nachhaltigkeit der Kampagne sichern?

Die Arbeit der BZgA sehen wir teilweise kritisch. Die Bundeszentrale bekommt jährlich über 30 Millionen Euro für Prävention, schöpft dieses Geld jedoch kaum aus und verursacht sehr viel Bürokratie. In der Präventionsarbeit setzen wir auf wissenschaftliche Evaluationen. Wir fordern, dass generell alle Präventionsprogramme unabhängig auf ihre Effekte hin untersucht werden. Aus unserer Perspektive wurde dies in den letzten Jahren häufig versäumt.

Mit einer Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen wollen wir möglichst viele Menschen erreichen, denn psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe und geht alle etwas an. Natürlich muss dabei auch über das Thema Suizid aufgeklärt werden. Nach wie vor herrschen in der Gesellschaft falsche Vorstellungen und Vorurteile in Bezug auf psychische Erkrankungen und Suizidalität. Involviert werden müssen neben Fachexperten auch Akteure, die Erfahrung in Kampagnenarbeit haben und gute Ideen mitbringen, wie ebendiese eine hohe Reichweite erzielen und nachhaltig aufgestellt werden können.

Wie fördern Sie die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft?

Wir fördern die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen, indem wir offen darüber reden und das Thema auf unserer politischen Agenda platzieren. Jeder Mensch kann in eine psychische Krise kommen, eine psychische Erkrankung oder Abhängigkeit entwickeln. Eine flächendeckende Aufklärungskampagne kann zur Sensibilisierung der Gesellschaft beitragen, wodurch dem Einzelnen schneller geholfen werden kann.

Sylvia Gabelmann MdB von der Linken

Welchen Stellenwert nimmt die Förderung von psychischer Gesundheit auf der politischen Agenda Ihrer Partei ein?

Psychische Probleme und Erkranken in der Bevölkerung nehmen zu – nicht zuletzt vorangetrieben durch die Corona-Krise und den Umgang der Bundesregierung mit ihr. Auch prekäre Lebensverhältnisse, Stress in Schule, Ausbildung und am Arbeitsplatz und die Zunahme gesellschaftlicher Krisenerscheinungen ganz allgemein tragen dazu bei, dass Menschen psychische Probleme entwickeln. Die Bundesregierung hat viel zu wenig gegen den eklatanten Versorgungsmangel in der Psychotherapie und für die psychische Gesundheit im Allgemeinen unternommen.

DIE LINKE tritt dafür ein, umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und die Ursachen psychischer Probleme langfristig anzugehen. Zu so einem ganzheitlichen Ansatz gehört zum einen ganz unmittelbar die massive Ausweitung der psychotherapeutischen Versorgung durch eine Anpassung der Bedarfsplanung sowie die gezielte Ausweitung von Therapiekapazitäten für Kinder- und Jugendliche und für marginalisierte Gruppen. Zum anderen müssen Beratungs- und Präventionsangebote im Alltag, am Arbeitsplatz und verschiedenen Lebensbereichen geschaffen werden.

Auch die gezielte wissenschaftspolitische Förderung der Vielfalt von psychologischen Schulen und Therapieverfahren ist zur langfristigen Gewährleistung und Verbesserung der psychischen Gesundheit notwendig. Und schließlich muss auch der sozio-ökonomische Entstehungskontext psychischer Erkrankungen angegangen werden, indem prekäre Arbeits-, Ausbildungs- und Lebensverhältnisse abgebaut werden.

DIE LINKE tritt auf allen diesen Ebenen für die ganzheitliche und systematische Verbesserung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung ein. Das gesellschaftliche Fortkommen und Wohlergehen bemisst sich nicht primär am Wirtschaftswachstum, sondern daran, ob alle Menschen ein gutes Leben in Würde, (psychischer) Gesundheit und materieller Sicherheit führen können.

Im Parteiprogramm Ihrer Partei steht: “Die psychotherapeutische Versorgung deckt in vielen Regionen bei weitem nicht den Bedarf. Die Bedarfsplanung muss gerade in diesem Bereich dringend überarbeitet werden. Auch die Finanzierung der Therapie muss den Bedarf decken. Die fragwürdige Kostenerstattungspraxis der Kassen wollen wir so überflüssig machen.” Welche Maßnahmen werden Sie konkret ergreifen, um Therapieangebote schneller und für mehr Menschen erreichbar zu machen?

Zunächst einmal ist eine Untersuchung durch das Bundesamt für soziale Sicherung hinsichtlich des Kostenerstattungsverfahrens einzuleiten. Es mehren sich Hinweise darauf, dass Therapien im Kostenerstattungsverfahren durch die gesetzlichen Krankenkassen systematisch abgelehnt werden, obwohl Anspruch auf eine Therapie besteht. Doch mittelfristig muss das Kostenerstattungsverfahren durch eine umfassende Anpassung der Bedarfsplanung überflüssig gemacht werden. Es gibt viele Therapeut*innen (insbesondere in Ballungsräumen), die bei einer Erhöhung der Anzahl der Kassensitze vom Kostenerstattungsverfahren ins Kassensitzsystem überwechseln können.

Zur langfristigen Abdeckung des Bedarfs nach der passenden Psychotherapie gehört auch die Ermöglichung eines niedrigschwelligen Studiums für Menschen aus unterschiedlichen sozio-ökonomischen Hintergründen sowie einer Ausbildung, bei der Psychotherapeut*innen in Ausbildung sich nicht verschulden, ein ausreichendes Einkommen erzielen und die notwendige Zeit für Supervision und Einzelselbsterfahrung haben. Diese Bedingungen sind auch nach der jüngsten Ausbildungsreform nicht erfüllt.

Wie soll in Zukunft Psychotherapie finanziert werden, damit Betroffene niedrigschwellig und egal aus welchem sozialen Umfeld, Zugang zu Hilfe erhalten?

Die Finanzierung erfolgt grundsätzlich über die Krankenkassen. Die Beitragszahlungen reduzieren sich im Vorschlag der LINKEN für eine Solidarische Gesundheitsversicherung für Menschen mit einem Monatseinkommen unter 6.200 Euro in absoluten Zahlen. Durch die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung und der Beitragsbemessungsgrenze orientieren sich die Beiträge für Selbstständige und andere bisher freiwillig in der GKV Versicherte deutlich stärker am realen Einkommen. Sehr hohe Einkommen tragen mehr ein als bisher, und Beiträge werden auf alle Einkommensarten erhoben (auch auf Kapitaleinkommen).

Mit dieser finanziellen Grundlage kann eine umfassende, niedrigschwellige und sozial gerechte psychische Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden – und zwar für alle in Deutschland lebende Menschen.

Welche Präventionsangebote werden Sie für psychische Gesundheit und im Bereich der Suizidprävention schaffen?

Konkrete Präventionsangebote müssen in enger Zusammenarbeit mit Verbänden, Berufsgruppen und Expert*innen erarbeitet und umgesetzt werden. Eine schnellere und niedrigschwelligere psychotherapeutische Versorgung ohne monatelange Warteizeiten würde bereits einen Teil einer Präventionsstrategie darstellen.

Darüber hinaus ist jedoch ein Paradigmenwechsel notwendig: Niedrigschwellige und kostenlose psychische Beratung muss in verschiedenen Lebensbereichen, etwa der Schule, der Universität, der Ausbildung und am Arbeitsplatz selbstverständlich werden. So werden Menschen erreicht, bevor sich psychische Erkrankungen chronifizieren oder zum Suizid führen.

In Ihrem Programm heißt es: “Psychisch kranke Menschen wollen wir vor dem Gesetz und in den Sozialversicherungen gleichstellen und ihnen Zugang zu unserem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor ermöglichen.” Welche Rolle spielt psychische Gesundheit am Arbeitsplatz?

Wie DIE LINKE in ihrem Wahlprogramm festhält, ist es bekannt, dass die „soziale Lage einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit hat: Wer arm ist, wird häufiger krank und stirbt früher. Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland besonders schnell auseinander mit der Folge, dass Ungleichheit der Gesundheitschancen weiter ansteigt. Gesundheit wird maßgeblich durch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen bestimmt.“ Aus diesem Grund sind niedrigschwellige Beschäftigungs- und Teilhabemöglichkeiten für psychisch kranke Menschen so wichtig.

Gleichzeitig ist umgekehrt festzustellen, dass Stress, Ausbeutung und Druck am Arbeitsplatz ein maßgeblicher Faktor für die Entstehung psychischer Leiden sind. Deshalb müssen Arbeitsbedingungen systematisch entpräkarisiert und Unterstützungsangebote am Arbeitsplatz geschaffen werden.

Jedes Jahr nehmen sich rund 10.000 Menschen in Deutschland das Leben. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Drogen und AIDS zusammen. Wir fordern seit Jahren eine nationale Aufklärungskampagne zu psychischer Gesundheit, wie es sie z.B. für Alkohol- und Drogenmissbrauch oder AIDS gibt. Auch gibt es keine Aufklärungsmaterialien zum Thema psychische Gesundheit und Suizid bei der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung. Wie erklären Sie diesen Missstand?

Das Thema wird tabuisiert und die vergangenen Bundesregierungen haben diesem Missstand zu wenig Bedeutung beigemessen. DIE LINKE unterstützt die Forderungen von Freunde fürs Leben e.V. hierbei umfassend.

Wie fördern Sie die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft?

Auch hier ist der einfachere und schnellere Zugang zu psychischer Unterstützung entscheidend. Je niedrigeschwelliger psychische Unterstützung erreichbar ist, je mehr sie im Alltag verankert ist und je mehr Menschen auf dieser Grundlage psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, desto mehr werden psychische Erkrankungen und die Inanspruchnahme von Hilfe entstigmatisiert.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB von den Grünen

Welchen Stellenwert nimmt die Förderung von psychischer Gesundheit auf der politischen Agenda Ihrer Partei ein?

Für uns Grüne hat Gesundheitsförderung grundsätzlich und speziell auch die Förderung der seelischen Gesundheit hohe Priorität. Gesundheit entsteht immer im Kontext der Lebenswirklichkeit, im Alltag.

Die Förderung der seelischen Gesundheit beginnt schon ganz früh, durch eine gute Geburtshilfe, durch Stillförderung, dadurch dass Kinder in Kita und Schule Raum und Unterstützung bekommen, ihre individuelle Persönlichkeit entwickeln zu können. Unsere Städte sollen so gebaut sein, dass sie Menschen aller Altersgruppen Begegnungen ermöglichen und so Verbindung gefördert und Einsamkeit vorgebeugt wird.

Wenn wir Städte für Menschen, statt für Autos bauen, wird Bewegung im Alltag wahrscheinlicher und sicherer – auch gute und sichere Fuß- und Radwege fördern die seelische Gesundheit. Am Arbeitsplatz braucht es betrieblichen Gesundheitsschutz und Zeitautonomie. Später im Alter sollen die Menschen sicher sein, dass sie die Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Von der Geburt bis zum Lebensende muss es Menschen leicht gemacht werden, gut und gesund zu leben.

Im Parteiprogramm Ihrer Partei steht: “Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir die Weichen stellen, denn seelische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität, soziale Teilhabe und körperliche Gesundheit, und mehr als nur Abwesenheit psychischer Krankheiten.” Was heißt das konkret?

Für annähernd alle Menschen ist es wichtig in Verbindung mit anderen Menschen zu leben. Teilhabe setzt voraus, dass es entsprechende Angebote gibt und dass alle Menschen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um mal ins Kino oder einen Kaffee trinken zu gehen. Darum ist Armutsbekämpfung auch ein Beitrag zur Förderung der seelischen Gesundheit.

Neben der Förderung der seelischen Gesundheit, braucht es für Menschen, die sich in einer psychischen Krise befinden, schnelle und passgenaue Hilfe. Wir Menschen sind nicht nur hilfsbedürftig, sondern auch helfensbedürftig. Jeder Mensch will notwendig sein.

Sie schreiben ‘Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert.’ Welche Maßnahmen werden Sie konkret ergreifen, um Therapieangebote schneller und für mehr Menschen erreichbar zu machen?

Die Wartezeiten für einen Therapieplatz sind vielerorts unzumutbar. Darum braucht es mehr Psychotherapieplätze.

Darüber hinaus müssen die schon bestehenden Hilfesysteme besser miteinander verbunden werden. Gerade schwer und chronisch psychisch Kranke finden häufig schwer die für sie passende Unterstützung. Darum braucht es verbindliche Gemeindepsychiatrische Verbünde. Betroffene brauchen Anlaufstellen an die sie sich unkompliziert in einer seelischen Krise wenden können und wo ihnen gezielt geholfen wird, die passenden Hilfeangebote zu erhalten.

Wie soll in Zukunft Psychotherapie finanziert werden, damit Betroffene niedrigschwellig und egal aus welchem sozialen Umfeld, Zugang zu Hilfe erhalten?

Die Bezahlung einer Psychotherapie soll, wie jetzt auch, durch die Krankenkassen erfolgen. Jede Person die Hilfe in einer seelischen Krise oder aufgrund einer seelischen Erkrankung benötigt, muss diese leicht und unkompliziert bekommen können.

Im Übrigen führt es zu mehr Kosten, wenn eine seelische Erkrankung chronifiziert, weil sie nicht rechtzeitig behandelt wurde. Es ist auch bekannt, dass unbehandelte seelische Erkrankungen zu einer Vielzahl von körperlichen Beschwerden, wie z.B. Rückenschmerzen oder auch Hochdruckerkrankungen führen können. Durch eine rechtzeitige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung können nicht nur viel Leid, sondern auch Kosten reduziert werden.

Welche Präventionsangebote werden Sie für psychische Gesundheit und im Bereich der Suizidprävention schaffen?

Es braucht sowohl Angebote der Verhältnisprävention, wie oben bei der ersten Frage erläutert, als auch individuelle Präventionsmaßnahmen. Für individuelle Präventionsangebote braucht es mehr Schulsozialarbeit, Psychosoziale Dienste am Arbeitsplatz und niedrigschwellige Anlaufstellen in den Kommunen. Es braucht deutlich mehr Aufklärung über die Symptome und Erscheinungsformen seelischer Erkrankungen, wie beispielsweise einer Depression.

Entscheidend ist die Entstigmatisierung von seelischen Erkrankungen. Krankheit hat nichts mit Schuld zu tun. Eine depressive Erkrankung ist häufig und kann jede Person treffen. Das Gute ist: eine Depression ist sehr gut behandelbar. Diese Informationen müssen flächendeckend zugänglich sein. Jede Person, die Hilfe sucht, muss diese niederschwellig finden. Es braucht deutlich mehr Suizidprävention.

Jedes Jahr nehmen sich rund 10.000 Menschen in Deutschland das Leben. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Drogen und AIDS zusammen. Wir fordern seit Jahren eine nationale Aufklärungskampagne zu psychischer Gesundheit, wie es sie z.B. für Alkohol- missbrauch, Drogenmissbrauch oder AIDS gibt. Auch gibt es keine Aufklärungsmaterialien zum Thema psychische Gesundheit und Suizid bei der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung. Wie erklären Sie diesen Missstand?

Die Häufigkeit und das Leid durch seelischen Erkrankungen wird immer noch unterschätzt. Die Depression ist eine sehr häufige und gleichzeitig sehr gut behandelbare Erkrankung. Häufig wird eine depressive Erkrankung mit Schwäche gleichgesetzt. Das eine hat aber nichts mit dem anderen zu tun. Im Gegenteil, wer sich in einer depressiven Phase Hilfe sucht, beweist große Stärke.

Es ist dringend notwendig besser über seelische Erkrankungen und die Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären und die Stigmatisierung endlich zu überwinden.

Wie fördern Sie die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft?

Auch für die Entstigmatisierung braucht es flächendeckende, bundesweite Kampagnen. Prominente, die über ihre seelische Erkrankung berichten, tun sehr viel Gutes und helfen dabei Betroffenen Mut zu machen. Es braucht mehr Aufklärung in der Schule, am Arbeitsplatz, aber auch in Pflegeheimen. Depressionen im Alter sind häufig und auch diese können gut behandelt werden.

Auch über Suizidalität muss viel mehr aufgeklärt werden, suizidale Impulse sind häufig und es ist sehr wichtig, über diese zu sprechen und sie nicht zu verschweigen. Miteinander reden hilft. Auch und gerade in seelischer Not.

DIE KONKRETEN VORHABEN

Prävention

Die SPD plant Unterstützungs- und Selbsthilfeangebote finanziell zu fördern und Präventionsmöglichkeiten in der Schule und Ausbildung zu schaffen. Die FDP fordert eine grundlegende Überprüfung der aktuellen Präventionsprogramme. Die Linke und Die Grünen legen den Fokus auf niedrigschwellige Hilfsangebote in der Schule und am Arbeitsplatz.

Versorgung

Alle fünf Parteien wollen die Wartezeit auf einen Therapieplatz reduzieren. SPD, FDP, Die Linke und Die Grünen wollen die Bedarfsplanung für Kassensitze anpassen. Die Linke will zudem die Therapeut:innenausbildung zugänglicher machen und die FDP die Zulassungsbeschränkungen für Psychotherapie abschaffen.

Entstigmatisierung

SPD, FDP und Die Grünen wollen eine Aufklärungskampagne realisieren. Die Linke hingegen wählt einen anderen Ansatz: Sie will sicherstellen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen vor dem Gesetz gleichgestellt werden.

WAS JUNGE KANDITAT:INNEN PLANEN

Vier junge Politiker:innen haben sich unseren Fragen gestellt. Von Caroline Lünenschloss (CDU), Noreen Thiel (FDP), Felix Schulz (Die Linke) und June Tomaik (Die Grünen) wollten wir noch einmal genauer wissen, wie sich ihre Partei für psychische Gesundheit einsetzen wird.

Sie haben uns außerdem verraten, was sie motiviert, psychische Gesundheit auf die politische Agenda zu bringen und welchen persönlichen Bezug sie zu dem Thema haben.

Welche konkrete Maßnahmen sie umsetzen wollen, erfahrt Ihr hier.

Das sagen junge Politiker:innen zum Thema

Die wichtigsten Statements auf einen Blick

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