Autorin Güner Yasemin Balcı über Herkunft, Einsamkeit und die Kraft von Begegnung

Foto: Jesco Denzel
In der zweiten Folge von „Kopfsalat“ spricht Moderator Sven Haeusler mit der Autorin, Journalistin und Integrationsbeauftragten von Neukölln, Güner Yasemin Balcı, über Einsamkeit – und darüber, wie eng dieses Gefühl mit Fragen von Herkunft, Erinnerung und Zugehörigkeit verwoben sein kann.
Die 50-Jährige erzählt von ihrer Kindheit zwischen Neuköllner Schulhof und familiärem Erbe, vom Geruch frischer Bohnensuppe, alten Tanten und einem Heimatgefühl, das manchmal nur noch in Erzählungen weiterlebt. Doch Heimat ist für sie nicht nur ein Sehnsuchtsort der Vergangenheit. Heimat kann im Jetzt entstehen – überall dort, wo Menschen sich begegnen dürfen, ohne sich erklären zu müssen.
Mit großer Klarheit spricht Güner Balcı über das Spannungsfeld zwischen Zugehörigkeit und Fremdsein – als Tochter alevitischer Eltern, die als „Gastarbeiter:innen“ nach Deutschland kamen. Früh wurde sie gedrängt, sich festzulegen: Vor allem türkische Mitschüler:innen wollten wissen: Bist du Alevitin? Türkin? Deutsche? „Ich habe mich immer wie eine Deutsche gefühlt“, sagt sie. Der Satz „Du bist ja wie eine Deutsche“ begegnete ihr oft – aber nicht unbedingt als Kompliment.
Als Integrationsbeauftragte von Neukölln plädiert sie auch deshalb für mehr Freiräume, in denen Zugehörigkeit nicht an Bedingungen geknüpft ist – und in denen Menschen einfach sie selbst sein dürfen. Sie glaubt an die Kraft von Orten, an denen Begegnung möglich ist: Ein Gemeinschaftsgarten, ein aufgemöbelter Nachbarschaftsladen, eine offene Kneipe – kleine Räume, in denen Verbindung entsteht, Verständnis wächst und ein Gefühl von Heimat greifbar wird. Orte, in denen Vielfalt nicht erklärt werden muss und in denen wir uns als Gesellschaft begreifen, trotz Unterschieden.
„Ihr müsst mit niemandem Weihnachten feiern“, sagt sie ihren Kindern. „Wenn ihr es nicht fühlt, dann ist es nicht echt.“ Ein Satz, der viel über ihr Verständnis von Identität verrät: Echt ist, was sich nah anfühlt – und niemand sollte gezwungen sein, sich selbst fremd zu werden. Denn auch das macht einsam.
Foto: Jesco Denzel