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Von der Motivation 45 Marathons zu laufen

Foto: Renz Rotteveel

Der Initiator des Lauf- und Charityprojekts 19/19 Anthony Horyna läuft ab diesen Sonntag, den 28. Juli 2019 1900 Kilometer, 1 Marathon pro Tag, 45 Tage hintereinander. Das Projekt 19/19 will motivieren, inspirieren, Mut machen – und auf ungewöhnliche Art und Weise auf die Tabuthemen Depression und Suizid aufmerksam machen.

 

Wie bist du zum Laufen gekommen?

Zum Laufen bin ich erst recht spät – mit damals Mitte 30 – gekommen. Das ist jetzt rund 11 Jahre her. Ausschlaggebend war, dass ich mich sehr unwohl gefühlt habe. Unzufrieden mit mir selbst. In der eigenen Haut. Im Leben. Meine Freundin nahm mich daraufhin mit, um eine Runde im Park zu laufen. Und ich gebe es unumwunden zu – am Anfang habe ich es gehasst. Bin aber trotzdem drangeblieben. Und immer weitergemacht. Und nie bereut.

 

Was ziehst du aus dem Laufen – seelisch und körperlich?

Immens viel. Laufen hat einen sehr hohen Stellenwert in meinem Leben eingenommen. Und mein Leben deutlich zum Besseren verändert. Ich habe über das Laufen sehr viele ganz tolle und gute Menschen kennengelernt. Und echte Freunde gewonnen.

Das Laufen selbst hat mich oftmals genordet. Mir Grenzen aufgezeigt. Und mich Grenzen überschreiten lassen. Vor allem hat es mir gezeigt, dass es trotz Herausforderungen und Belastungen weitergehen kann. Schritt für Schritt. Immer wieder aufs Neue. Und – und das ist wohl das Beste dabei – es macht auch noch jede Menge Spaß.

 

Warum läufst du jeden Tag? Und wie motivierst du dich dazu?

Da gibt es sicherlich mannigfaltige Antworten darauf. Aber ganz ehrlich, die Frage nach dem „warum“ stellt sich mir gar nicht. Und auch das mit der Motivation ist so eine Sache. Ich sag es mal so, ich stelle das tägliche Laufen nicht mehr in Frage. Daher muss ich mich auch nicht extra motivieren. Es ist einfach das, was ich mache.

Geht es dir um eine persönliche Bestzeit, einfach ums Ankommen oder um den Kick an deine Grenzen zu stoßen?

Weder noch. Persönliche Bestzeiten interessieren genauso wenig wie irgendein „Kick“. Auch das „Ankommen“ steht beim Lauf (zumindest bei meinen) nicht immer an erster Stelle. Es ist eher der Lauf selbst, das in Bewegung sein, das Unterwegs sein, um was es geht. Natürlich schiele auch ich gerne mal auf Zeiten, und ja, ich habe mit dem ein oder anderen Lauf bewusst auch Grenzen überschritten. Doch das Laufen selbst ist mehr als nur auf Zeiten reduzierbar. Es ist eher eine Art Lebensweise geworden. Etwas, bei dem ich ganz im Moment und auch ganz bei mir sein kann.

 

Was passiert, wenn du einen Tag nicht laufen kannst?

Och, das ist in den letzten 3,5 Jahren nicht vorgekommen. Ich habe immer einen Weg (oder die Zeit) gefunden für einen Lauf. Und ja, auch nachts oder sehr früh morgens. Auf Dienstreisen. Zwischen Terminen. Vor oder auch nach Rennen. Sogar schon an Flughäfen. Das geht alles schon. Das muss man nur wollen. Ganz ehrlich. Und ich denke mal, dass es bei Projekt 19/19 genauso sein wird. So zumindest ist der Plan.

 

Wie ist die Idee zum Projekt 19/19 entstanden?

Mir persönlich hat das Laufen in den letzten 11 Jahren immens geholfen. Und ganz viel Positives in mein Leben gebracht. Doch auch in meinem Leben gab es immer wieder Episoden und Zeiten, die dunkel bis tiefdunkel waren. Irgendwann ist dann die Idee geboren „zurückzugeben“. Also das, was mir geholfen hat und hilft, zu nutzen, um auch anderen zu helfen.

 

Was willst du mit 19/19 erreichen?

Allen voran geht es mir darum, mit Projekt 19/19 auf ungewöhnliche Art und Weise auf Depressionen und auch Suizidprävention aufmerksam zu machen. Das ist der erste Schritt: darüber zu reden. Mit dem Lauf selbst hoffe ich zu motivieren, zu inspirieren und auch Mut zu machen. Ich würde gerne aufzeigen, dass es trotz Herausforderungen und Belastungen weiter gehen kann. Schritt für Schritt. Immer wieder aufs Neue. Das gilt beim täglichen Marathon, wie im Leben.

 

Wie sieht deine Strecke aus?

Die Strecke verläuft auf dem Deutschen Abschnitt des Europäischen Fernwanderwegs E1 und führt mich von Konstanz bis nach Flensburg. Wo genau ich wann unterwegs bin, könnt ihr im Strava Club verfolgen.

 

Mit welchem Anspruch startest du die 1900 Kilometer?

Gesund – und damit meine ich körperlich als auch mental – bis nach Flensburg zu kommen. Der Anspruch ist natürlich, die 45 Marathons hintereinander zu laufen. Und so möglichst viele Menschen für das Thema zu erreichen. Zu sensibilisieren und damit meinen Beitrag zu leisten, Depressionen aus der noch immer vorhandenen Tabuzone zu holen. Und wenn da draußen auch nur eine/r mitbekommt was ich da mache und daraufhin beschließt selbst etwas zu tun – dann ist schon alles gewonnen. Ganz ehrlich.

 

Was verbindet Freunde fürs Leben und Anthony Horyna?

Ich finde die Arbeit, die Freunde fürs Leben macht, einfach stark. Die Art und Weise der Aufklärung sehr richtig und immens wichtig. Und unterstützenswert. Daher hatte ich schon letztes Jahr eine Spendenaktion auf Facebook gestartet und darüber hinaus für jeden von mir gelaufenen Kilometer Geld gespendet. Als wir uns dann persönlich kennenlernten war mir klar, dass das genau die richtige Adresse ist, um mit Projekt 19/19 vorstellig zu werden. Und so kam eins zum anderen.

 

Welche Berührungspunkte hast du zu den Themen Depression und Suizid?

Wie viele von uns kenne und habe ich Menschen im unmittelbaren Bekannten- und Freundeskreis, die direkt von Depressionen und Suizid betroffen sind. Dazu kommt, dass ich schon in arg früher Kindheit direkten familiären Bezug dazu hatte. Das sind Erlebnisse, die man zwar lange verdrängen, aber doch nicht vergessen kann. Heute achte ich sehr darauf. In mir selbst. Und natürlich auch in meinem Umfeld. Und je offener ich selbst damit umgehe, umso offener begegnen mir auch andere. Und ja, gleich wohin ich höre, es gibt kaum jemanden, der nicht in irgendeiner Art auch „betroffen“ ist.

 

Mit welchem Antrieb setzt du dich für die Aufklärung von seelischer Gesundheit ein?

Es ist mir ein immenses Anliegen, dass das Tabu, das Depressionen und auch Suizid umgibt, gebrochen wird. Das Tabu als auch die Stigmatisierung, die oft damit einhergeht. Depressionen sind eine Krankheit. Und an Krankheiten kann man arbeiten. Sie mitunter heilen. Eine Depression ist keine Wahl oder Stimmung. Vor allem ist eine Depression keine Schwäche. Es ist eine Krankheit. Das muss verstanden werden. Akzeptiert werden. Im Privaten als auch im Gesellschaftlichen. Und darüber zu sprechen ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

 

Hilft dir das Laufen Krisen zu meistern bzw. abzuwenden?

Wie schon zuvor kurz beschrieben, ja. Laufen hat mich auch durch dunkle und sehr dunkle Phasen gebracht. Das heißt aber nicht, dass Laufen nun ein Allheilmittel ist. Laufen ist sehr viel für sehr viele Menschen. Auch für mich. Es kann norden, erden, sich ganz bei sich fühlen lassen. Den Kopf frei machen, den Geist und den Körper beruhigen. Aber – und das ist ganz wichtig zu verstehen – es ist eben doch auch immer nur Laufen. Und sollten Krisen tatsächlich groß oder einschneidend sein, dann ersetzt Laufen nicht die professionelle Hilfe.

 

Was ist dein Tipp an unsere Community, sich mit Krisen auseinanderzusetzen?

Ehrlich: sprecht darüber. Und hört zu, wenn es andere tun. Wenn sie erzählen, dass es ihnen nicht gut geht. Versucht nicht zu urteilen oder gar verurteilen. Und vor allem, habt keine Angst davor, euch selbst zu öffnen. Denn nur dann kann euch geholfen werden. Wenn es akut ist, unbedingt zum Arzt. Professionelle Hilfe suchen. Und sich nicht dafür schämen. Und ja, um Hilfe zu bitten ist niemals falsch. Und man ist auch niemals zu jung oder zu alt dafür. Ganz gleich, wer da was anderes behaupten will.

 

Wenn Ihr Lust habt Anthony bei einem Marathon oder einer Teilstrecke zu begleiten, könnt Ihr Euch unter folgendem Link anmelden: www.strava.com/clubs/projekt1919

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