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Das Leben vor und nach einer Fehlgeburt

Foto: pexels.com

Elisabeth ist Lebensberaterin, Coach und Mediatorin – und bietet Coachings für Menschen mit Kinderwunsch an. Nach ihrer Fehlgeburt hatte sie mit Depressionen zu kämpfen und nutzt nun ihre Erfahrung um anderen Frauen und Männer mit unerfülltem Kinderwunsch zu unterstützen.

 

Depressiv und hochsensibel

Seit ich 13 Jahre alt bin, gab es in meinem Leben immer wieder Tiefs und Momente, in denen ich nicht wusste, was mit mir nicht stimmte. Erst nach einer langen Zeit aus Depressionen, Therapien und einer Behandlung in einer psychosomatischen Tagesklinik, hatte ich gelernt mit mir und meinen Besonderheiten zu leben.

Ich hatte gelernt, zwischen Depressionen wegen Erlebtem und Depressionen aus meinem Inneren zu unterscheiden, ich hatte erfahren, dass man mein besonderes Empfinden „Hochsensiblität“ nennt und ich habe für mich Strategien gefunden, diese Besonderheiten als Gabe für mich zu nutzen und mich im Alltag zu schützen oder abzugrenzen.

Der Kinderwunsch

Endlich war ich auch bereit, mich auf einen Mann einzulassen, der mich nicht schmückte, sondern mich aufrecht liebte – ich war endlich glücklich und zufrieden mit mir selbst und meinem Leben. Dann kam der Kinderwunsch. Erst leise und zaghaft, dann immer lauter und drängender. Meine Therapeutin fragte mich eines Tages, ob ich denn wünschte schwanger zu sein, oder ob ich wirklich Mutter sein möchte. Ein Satz, über den ich noch oft nachdenken musste.

Ich bin schwanger

Dann, nach längerer Zeit unerfüllten Kinderwunsches, unterzog ich mich einer Bauchspiegelung – und wurde schwanger. Ich erinnere mich noch gut, wie es war, als ich um vier Uhr morgens – vor Aufregung schon lange wach – ins Bad geschlichen bin und auf den digitalen Schwangerschaftstest gepinkelt habe.

Das Warten war fast nicht auszuhalten – doch dann konnte ich es auf dem weißen Plastikstäbchen lesen: Schwanger. Die Freude war unendlich groß, mein Freund und ich lagen uns weinend in den Armen – in der Arbeit konnte ich mich kaum noch konzentrieren und ich fühlte mich unglaublich glücklich und beschwingt.

Schmerzen im Unterleib

Und dann, dann war alles schnell wieder vorbei. Ein Morgen – schon vor dem Aufstehen wusste ich, dass etwas nicht stimmte – Schmerzen im Unterleib, eine starke Blutung und ich fühlte mich, als würde die Welt vor meinen Augen zerbrechen. Mein Freund brachte mich in die Klinik, meine Mutter stieß dazu. Dort die Gewissheit: Ich hatte das kleine Würmchen in meinem Bauch verloren.

Ich hörte die Worte meines Frauenarztes bei der ersten Untersuchung in meinen Ohren: Jetzt müssen wir nur noch das Herz schlagen sehen. Doch soweit würde es nicht mehr kommen. Alles um mich herum wurde leise. Ich war verzweifelt, traurig und ich schämte mich dafür – denn es war doch erst die siebte Woche. Ich hatte doch kein Recht darauf, traurig zu sein.

Ich habe das Recht, traurig zu sein

Heute weiß ich: Doch, das hatte ich. Das hat jeder Mensch, der ein Kind verliert – egal wie früh und egal ob Mann oder Frau. Die ersten Tage trösteten wir uns gegenseitig. Doch dann ging das Leben meines Freundes einfach weiter, aber meines blieb stehen. Ich stürzte mich in Arbeit, ließ mich aber immer wieder krankschreiben, weil die Traurigkeit mich bleischwer werden ließ. Und müde.

Dazu gesellte sich Wut auf meinen Partner, weil sein Leben einfach weiter ging, weil ich das Gefühl hatte, allein in der Ecke zu sitzen, mit meiner Verzweiflung. Die Anteilnahme meines Umfelds schwand mehr und mehr und irgendwann – so dachte ich zumindest in meiner Depression – konnte man „die alte Leier“ nicht mehr hören. Anfangs hoffte ich darauf, wie es in den ganzen Foren stand, dass ich schnell wieder schwanger werden würde, doch es vergangen Wochen, Monate, ein Jahr.

Heilen mit einer Freundin

Jeder Monat, jeder neue Zyklus – erst ein Auf, dann das tiefe, schreckliche Aus. Was mir wirklich geholfen hat, war eine Freundin, die leider fast zeitgleich die gleiche Erfahrung machen musste. Gegenseitig bauten wir uns auf, lenkten uns ab, kotzten uns aus, blickten neidisch schwangeren Frauen hinterher und überlegten uns Strategien, um die Trauer und die lange Zeit des Wartens auszuhalten.

So merkte ich, wie wertvoll die gemeinsame Erfahrung eben auch sein konnte, wie heilsam die gegenseitige Unterstützung war. So keimte irgendwann der Gedanke in mir, etwas damit anzufangen. Als gelernte Mediatorin und Beraterin und durch meine besondere Empathie, konnte ich mir gut vorstellen, auch anderen Menschen, mit ähnlichen Erfahrungen helfen zu können.

Das Abschiedsritual

Kur vor Weihnachten fassten mein Freund und ich fassten den Beschluss den Kinderwunsch, die Hormonspritzen, die Eisprungtests, die Adoptionsunterlagen und damit all die Belastung und Frustration auf Eis zu legen und uns auf unsere Hochzeit im Sommer zu konzentrieren. Ich plante eine Selbsthilfegruppe zu gründen, andere Menschen zu begleiten. In der Therapie stellte ich außerdem bald fest, dass ich in meinem Herzen gar keinen Platz für ein neues Kind hatte, weil da noch das Verlorengegangene saß und nicht gehen durfte.

Ich traf also meine Freundin am Chiemsee und wir überlegten uns ein Verabschiedungsritual. Ich schrieb einen Brief an das Verlorene, legte Steine und Muscheln zusammen damit in ein Glas und versenkte es im See. Ich gab die kleine Seele frei. Außerdem begann ich mich zeitgleich, durch den Brauch der Rauhnächte in Achtsamkeit und positiven Gedanken zu üben.

Silvesterüberraschung

Das Silvesterfest verbrachten wir mit Freunden, ich aß Steak, trank Sekt und fühlte mich glücklich und frei. Ich hatte das Gefühl, wieder im Leben zu stehen und losgelöst zu sein. Und als ich dann wieder länger auf meine Periode warten musste, machte ich einen Schwangerschaftstest – wie ich es öfter machte, nur um zu sehen, dass ich nicht schwanger war. Doch diesmal vergaß ich den Test sogar im Bad.

Erst nach dem Frühstück sah ich ihn dort liegen: Positiv. Unglaublicherweise war ich wohl tatsächlich an Weihnachten schwanger geworden! Diesmal war die Freude etwas zaghafter, die Sorge und die Ängste fast 20 Wochen stetige Begleiter. Doch es ging alles gut und ich bin heute Mutter einer 1-jährigen, tollen, lustigen Tochter.

Meine Erfahrung teilen

Menschen helfen möchte ich immer noch. Es erfüllt mich. Deswegen mache ich mich gerade als Lebensberaterin, Coach und Mediatorin selbstständig und profitiere dabei auch von meiner Selbsterfahrung, die mir hilft, mich noch besser in die Menschen einfühlen zu können und die mich einzigartig macht – so wie meine Klienten auch.

Mein neustes Vorhaben: Ein Coachingworkshop für Menschen mit Kinderwunsch – für Frauen und Männer, denn der unerfüllte Wunsch kann jeden Mensch zermürben und traurig machen. Doch das Miteinander und die Gemeinschaft, können einem aus diesem Loch befreien und kleine Wunder wirken.

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