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Soforthilfe

Wie ist es wirklich in einer Akutpsychiatrie?

Foto: pexels.com

Moritz ist Assistenzarzt für Psychiatrie und arbeitet in einer Akutpsychiatrie. Er will mit den Vorurteilen und Gerüchten um diese Station aufräumen, denn sie bieten Schutz und Hilfe für Menschen in schweren seelischen Notlagen.

„Aber ich will nicht auf die Geschlossene!“

„Ist das wirklich jetzt notwendig? Kann ich nicht einfach wieder nach Hause?“ Das sind häufige Aussagen, die man in der psychiatrischen Notaufnahme eines Krankenhauses hört. Über viele Jahre hinweg halten sich Vorurteile und Gerüchte über beschützende Stationen aufrecht – die meisten sind negativ behaftet.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass schwer depressive Menschen oft nicht stationär behandelt werden wollen. Nach einer kurzen „Einlebungsphase“ bekommen wir als Akutpsychiater*innen jedoch im Anschluss an die Behandlung ein positives Feedback der Patient*innen.

Der beschützende Rahmen, den die geschlossenen Türen schaffen, hilft fast alle äußeren Reize abzuschirmen. Anfangs mag dies als nicht sonderlich viel erscheinen, hilft jedoch vor allem auch schwer depressiven Personen immens weiter.

Durch das Zusammenspiel des Personals jeglicher Fachrichtungen entsteht ein behüteter Ort. Die Patient*innen können sich vollends auf sich konzentrieren und ihre Probleme angehen.

Wir halten niemanden gegen seinen Willen fest. Es sei denn, wir gehen davon aus, dass eine Person sich selbst oder andere gefährden wird. Die ersten Tage sind meist eine Art der Eingewöhnung, die auch schwer fallen können: Eine neue Umgebung, viele neue Menschen und die Ungewissheit, warum man überhaupt dort ist.

Was machen Akutpsychiater*innen?

Wir geben sofortige Hilfe. Pflege und Ärzt*innen sind auf Krisensituationen geschult und 24 Stunden vor Ort. Es geht darum, die akuten Symptome einer psychischen Erkrankung zu mildern, das Krankheitsbild zu verstehen und neue Strategien zu entwickeln. Dabei steht im Fokus die Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern und die Eingliederung in ein unterstützendes Umfeld zu schaffen.

Im ersten Moment schirmen wir alle Reize von außen ab. Wir sprechen lange und ausführlich miteinander und versuchen eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen. Natürlich unterliegen wir der Schweigepflicht.

Gemeinsam als Team explorieren wir Probleme und greifen diese auf. Als Ärzt*innen können wir Medikamente verabreichen und diese genauestens überwachen. Im stationären Rahmen können wir uns natürlich auch anderen Problemen wie z. B. Schlafstörungen widmen und medikamentös unterstützen.

Wir versuchen den Menschen hinter der Erkrankung hervorzuheben und mit diesem zu arbeiten. Dabei können wir uns auf Psychotherapie, Pflege und Medikamente stützen, um die Situation zu verbessern. Oft lässt sich im Verlauf die Medikation reduzieren oder anpassen. Die Lebensqualität steht im Vordergrund der Behandlung.

Was passiert auf der beschützenden Station?

Es kommt zu einer akuten Behandlung. Ärzt*innen, Pflegepersonal und Therapeut*innen bilden ein multiprofessionelles Team und geben dir viele Möglichkeiten. Gespräche, Sport, Beschäftigung oder Gruppentherapien sind nur ein Teil dieser Möglichkeiten. Wir versuchen stets, unsere Patient*innen zu motivieren, an möglichst vielen Angeboten teilzunehmen. Jede*r Patient*in bekommt zudem individuelle Gespräche mit ihrem bzw. seinem Arzt bzw. Ärztin, Psycholog*in und Bezugspfleger*in.

Die meisten Patient*innen sind freiwillig auf der beschützenden Station. Natürlich gibt es auch Personen, die behandelt werden müssen wenn zum Beispiel Suizidgedanken oder Psychosen auftreten, um ihr Leben zu schützen. Tritt so ein Fall ein, müssen wir jedoch zeitnah das zuständige Amtsgericht kontaktieren und einen Bericht senden.

Entgegen der allgemeinen Annahme kann man die Station auch gegen ärztlichen Rat verlassen, solange keine Fremd- oder Eigengefährdung vorliegt.

Wie kommt man auf die beschützende Station?

Grundlegend gibt es zwei Wege:

Man möchte aufgenommen werden. Oft erleben Patient*innen eine Zunahme depressiver Gedanken erlebt. Das führt in vielen Fällen dazu, dass sich Patient*innen vorstellen oder Freund*innen und Familie an uns wenden, die der Situation nicht mehr mächtig werden und professionelle Hilfe brauchen.

Oder ein Mensch schildert gegenüber dem Arzt bzw. der Ärztin lebensüberdrüssige Gedanken, kann nicht mehr für sein eigenes Leben garantieren oder sieht sich in der akuten Gefahr die Nacht nicht zu überstehen. Dann sind wir gezwungen eine Aufnahme zu veranlassen. Oft reicht jedoch ein ausführliches Gespräch mit einem Profi aus, um sich von diesen Gedanken abzugrenzen. Nicht jede*r muss aufgenommen werden.

Wie lange bleibt man auf der Station?

In den meisten Fällen versuchen wir in kürzeren Aufenthalten, in sogenannten Kriseninterventionen, die Zeit auf der beschützenden Station nicht zu lange zu gestalten. Braucht jemand jedoch länger einen beschützenden Rahmen, kann der Aufenthalt ausgeweitet werden. Das Wohl des Patienten bzw. der Patientin steht an erster Stelle.

Wie geht es nach der Akutpsychiatrie weiter?

Es hängt ganz von dem Patienten bzw. der Patientin ab: Wie schnell verbessert sich die Situation? Wie lange sind lebensüberdrüssige Gedanken vorhanden? Aber auch: Wie lange möchte der Patient bzw. die Patientin bleiben?

Die Akutpsychiatrie ist der erste Aufnahmeort. Wenn weitere Therapien gewünscht werden, kann man auf zum Beispiel spezielle Depressionsstationen verlegt werden. In Anschluss an die akute Behandlung kann natürlich auch eine Entlassung oder eine Verlegung auf eine offen geführte Station erfolgen.

Lass dir helfen!

Suizidgedanken können Teil einer Erkrankung sein und bedürfen professioneller Hilfe. Egal welche Vorurteile gegenüber Krankenhäusern existieren – sie bieten dir einen Rahmen, mit diesen Gedanken entgegen zu gehen.

Wenn du oder dein Freund bzw. deine Freundin mit solchen Gedanken umgehen muss, hilf ihm und biete ihm deine Hand an. Zusammen ist der Weg in die Notaufnahme meist viel leichter. Ein guter Freund bzw. eine gute Freundin an deiner Seite ist der beste Wegbegleiter.

Menschen um dich herum sehen Veränderungen von dir am schnellsten. Manchmal bist du die letzte Person, die Verbesserungen oder Verschlechterungen deiner Stimmung erkennt. Lass dir helfen. Manchmal braucht es nur ein unterstützendes Gespräch in der Notaufnahme mit einem Psychiater bzw. einer Psychiaterin.

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