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Klimaresilienz und Activism Burnout – Wie Psychologists For Future Jugendliche unterstützt

Foto: Markus Spiske von pexels.com

Psychologists for Future sind eine überparteiliche Gruppierung von Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen, die ihr Fachwissen in den Umgang mit der Klimakrise und zur Förderung einer nachhaltigen Zukunft einbringen. Ihr Ziel ist es, Klimaresilienz zu fördern und engagierte Menschen zu unterstützen – wie genau sie das tun, verrät uns der Psychologische Psychotherapeut Dr. Steffen Landgraf aus Regensburg.

Steffen, was ist deine Motivation, dich bei Psy4Future zu engagieren?

Ich engagiere mich seit über 10 Jahren berufspolitisch für eine bessere medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten in Deutschland, für Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. Seit 2019 bin ich bei den Psychologists for Future aktiv, unter anderem als Pressesprecher. Die Regionalgruppe Psy4Future Regensburg habe ich im Herbst 2020 mit gegründet mit dem Ziel, eine gerechtere, solidarischere und gesündere Zukunft für die nachfolgenden Generationen zu schaffen. Ehrenamtlich betreue ich in meiner Praxis junge Umweltaktivist*innen und bin als Mediator und Umwelt-Coach aktiv.

Mit welchen Ängsten und Probleme sind Jugendliche und junge Erwachsene in der aktuellen Corona-Krise oder Klima-Krise konfrontiert?

Die Belastung junger Menschen während der Corona- und Klima-Krise sind enorm. Die Coronapandemie reduziert die sozialen Kontakte, die gerade für die psychische Gesundheit, die Entfaltung und Entwicklung relevant sind. Durch die fehlenden Zusammentreffen außerhalb der Kernfamilie erhalten Jugendliche und junge Erwachsene nur wenig Unterstützung und Anregungen. Online-Kontakte können dabei persönliche Treffen nicht ersetzen. Es kommt dadurch zu einer Veränderung der sozialen und individuellen Entwicklung.

Es kommt hinzu, dass durch die aktuelle Situation die bestehenden sozialen Beziehungen auch leiden. Vor allem die Beschulung von zu Hause aus setzt viele Familien unter Druck. Man ist es nicht gewöhnt, so viel Zeit zu Hause zu verbringen.

Es können Langeweile, aber auch Konflikte und psychische Probleme entstehen. Gerade, wenn es Familienangehörige mit Vorbelastungen gibt, treten diese häufiger in den Vordergrund. Frauen leisten den größten Anteil an der Hausarbeit während der Corona-Krise. Hier kommt es zu einem Verlust der Unabhängigkeit.

Welche Folgen können die genannten Herausforderungen für Jugendliche und junge Erwachsene haben?

Viele Jugendliche und junge Erwachsene engagieren sich in der Klima-Krise. Dies ist auf der einen Seite sehr erfreulich, weil politisches Engagement dazu beiträgt, dass man eine Sinnhaftigkeit erlebt. Sinnhaftigkeit des eigenen Handels ist ein wichtiger Faktor für mentale Gesundheit. Es gibt daher viele junge Menschen, die sich sehr verantwortungsvoll und solidarisch verhalten wollen.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch immer mehr junge Menschen, die sich zu viel zumuten. Dass man das Empfinden hat, zu wenig zum Klimaschutz beitragen zu können bzw. dass die Politik nicht auf das hört, was von jungen Menschen und Wissenschaftler*innen gefordert wird, kann zu Wut, Frustration, aber auch Angst und Hilflosigkeit führen. Die eigene Ohnmacht im Kampf gegen den Klimawandel erleben zu müssen, ist eine große Herausforderung.

Hier ist häufig eine fehlende Abgrenzung die Wurzel des Problems. Wenn man den ganzen Tag damit zu tun hat, dass man sich mit der Klimaproblematik auseinandersetzt und soll dann Sonntagnachmittag auf der Couch bei Oma mit allen entspannt Kuchen essen und Kaffee trinken – das kann schon zu Problemen führen.

Es fühlt sich an, als wäre man im falschen Film, meinte mal eine junge Aktivistin zu mir. Es führt dazu, dass man sich unverstanden fühlt. Und wenn dann auch noch über den nächsten Urlaub mit dem Luxusliner debattiert wird, ist es nicht mehr einfach das alles auszuhalten. Ein Teil unserer Arbeit bei den Psy4Future beschäftigt sich genau mit solchen Herausforderungen.

Wie unterstützt Psy4Future junge Menschen dabei, mit diesen Krisen umzugehen?

Bei den Psy4Future unterstützen wir junge Menschen im Klimaschutz dabei, mit der Herausforderung der Krise, aber auch mit der Herausforderung des Engagements an sich umzugehen. Die  Krise als Bedrohung unserer Lebensgrundlage kann zu  der Angst führen, nichts tun zu können und hilflos zu sein. Hierfür haben wir eine Liste von Psycholog*innen, die sich auf die Unterstützungsarbeit spezialisiert haben und dies ehrenamtlich anbieten.

Privatpersonen unterstützen wir dabei, das richtige Maß zu finden, wie man seinen Alltag gestalten kann, dass man auch noch als Privatperson existieren kann und sich trotzdem nach seinen Fähigkeiten für den Klimaschutz einsetzt. Wir geben Strategien an die Hand, die vor Überforderung und Activism Burnout schützen sollen.

Klimagruppen unterstützen wir, indem wir etwa Mediationen anbieten. Hier versuchen wir, bei Problemen zwischen Klimagruppen diese miteinander ins Gespräch zu bringen und Unstimmigkeiten aus dem Weg zu räumen. Damit wieder das gemeinsam Ziel – der Klima- und Gesundheitsschutz im Vordergrund stehen kann.

Außerdem bieten wir Workshops zu Themen an, wie gewaltfreie Kommunikation, Resilienz, internationale Kooperation oder soziale Klima-Kommunikation. Als überverbandliche Organisation engagieren wir uns auch berufspolitisch und geben Stellungnahmen zu klimarelevanten Themen ab, sensibilisieren unsere Berufsgruppe für die Klima-Krise und sprechen mit Bundestagsabgeordneten über die Umsetzung klimapolitischer Ziele.

Was genau bedeutet Klima-Resilienz und wie lässt sie sich aufbauen?

Klima-Resilienz ist Fähigkeit, im Zusammenhang mit der Klimakrise stehende Belastungen so zu verarbeiten, dass man emotional, zwischenmenschlich gesund bleibt und dies als handlungsorientiere Entwicklung nutzen kann.

Das bedeutet, dass ich mir der Belastungen bewusst bin, dass ich mit der Belastung umgehen kann, dass ich aus der Belastung gestärkt hervorgehe, weil ich sie als Möglichkeit verstanden habe, Dinge zu verändern, Dinge in die Tat umzusetzen. Kurz: Klima-Resilienz ist die Fähigkeit, die Klimakrise zu überwinden und gestärkt aus dieser Überwindung hervorzugehen.

Wie baut man diese Fähigkeit nun auf? Nun, es gibt viele Bereiche im Leben, die man dafür in Betracht ziehen kann. Wichtig ist, dass man wertschätzend mit sich selbst umgeht, dass man seine Grenzen kennt und auch einhält, dass man auch Wiedersprüche aushalten kann.

Konkret bedeutet dies, sich gewahr zu sein, dass man als einzelnes Individuum nur einen gewissen Handlungsspielraum hat. Es nützt dem Klima, der Klimabewegung und allen anderen Menschen um einen herum nichts, wenn man selbst am Boden zerstört ist, weil man sich fürs Klima aufarbeitet. Im Gegenteil, man ist am effektivsten und stärksten, wenn es einem selbst gut geht, wenn man selbst etwas für sich tut.

Und das kann man, indem man Selbstfürsorge betreibt, indem man Dinge tut, die Ausgleich bieten, indem man sich fit und gesund hält, zum Beispiel durch Sport oder gute Ernährung oder ein schönes Hobby. Man kann (und muss) sich auch abgrenzen, gegen Überforderung, gegen Ansprüche, die man nicht erfüllen kann, gegen die eigenen Erwartungen und die anderer Menschen.

Darüber hinaus ist es noch wichtig soziale Verbindungen aufzubauen und zu halten, die erwähnte Sinnhaftigkeit in sein Leben zu bekommen und einer Tätigkeit nachzugehen, die einen inspiriert. Für mehr Informationen kann man sich gern an einen unserer AktivistInnen wenden.

Wie können sich Jugendliche und junge Erwachsene am besten mit der Corona- und der Klimakrise auseinandersetzen?

Junge Erwachsene können am besten mit einer Krise umgehen, indem sie auf sich selbst schauen, indem sie wissen, was ihnen gut tut und was nicht. Wenn man selbst weiß, wie man sich gesund und glücklich hält, dann hat man die Möglichkeit aus dieser Position heraus viel Gutes zu tun.

Noch einmal: Es hilft niemandem, wenn es einem schlecht geht. Sei es auf Grund der Klimakrise, sei es auf Grund von Überforderung oder Mitleid. Selbst bei Traumatisierungen, die im Zusammenhang mit der Klimakrise stehen (wie z.B. Umweltkatastrophen) ist das Ziel klar: So gesund wie möglich werden (z.B. durch eine Traumatherapie) und dann anderen helfen.

Wenn man noch nicht so engagiert ist, hilft es auch, sich allmählich mit dem Thema vertraut zu machen. Nicht so häufig unkontrollierte Nachrichten hören. Quellen für Informationen auf deren Verlässlichkeit überprüfen, sich nicht kirre machen lassen durch PanikmacherInnen.

Ein buddhistisches Sprichwort sagt: „Wenn Du in Eile bist, gehe langsam.“ Jede/r, der schon einmal in Hektik geraten ist und etwas durch die Hektik vergeigt hat, weiß, wovon dieses Sprichwort handelt. Nicht aufregen, sondern tun, machen, sich dabei seiner eigenen Grenzen bewusst sein und diese Schützen.

Und: den Glauben an den Erfolg nicht verlieren. Dann kommt man auch durch die Klima-Krise ohne selbst in eine Krise zu kommen.

Was ist dein Tipp für unsere Community zum Abschluss?

Nicht verzagen! Bei sich bleiben. Ich kann, auch wenn ich es noch so sehr will, andere nur sehr schwer verändern. Ich kann nur auf die Einsicht der anderen hoffen. Wenn ich selbst meinen Ansprüchen gerecht werden und nach Prinzipien der Klimaneutralität leben kann, dann hilft mir das in meiner seelischen Gesundheit.

Und wenn ich gesund bin und diese Aktivität und Energie nach außen ausstrahle, dann bin ich auch ein Vorbild, eine Führungsfigur, der andere vielleicht auch folgen wollen.

Eine schöne Analogie, die ich gern verwende ist: Wenn ich Menschen davon überzeugen möchte, so schnell wie möglich ein gutes Boot zu bauen, dann hilft es wenig über das Boot-Bauen zu reden. Stattdessen muss ich in den Menschen die Sehnsucht vom ‚Auf-dem-Meer-Fahren‘ entfachen.

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