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Soforthilfe

Wenn’s innerlich nicht rund läuft. Eine Werkzeugkiste für die mentale Selbstversorgung

Foto: Pixabay

Fernanda Hübner arbeitet als Sozialarbeiterin bei einem sozialpsychiaterischen Dienst in Bayern. Dadurch kennt sie sich gut damit aus, Menschen in psychischen Notsituationen beizustehen. Was man für sich selbst und seinen eigene mentale Gesundheit tun kann, erzählt sie hier.

Die Sache mit den Gefühlen

Manchmal geht es uns scheiße und wir wollen nicht darüber reden. Weil es sinnlos erscheint. Oder keiner zum Reden da ist. Oder die, die da sind, auch nichts wirklich Konstruktives beizutragen haben. Oder weil wir gar nicht wissen, was bei uns eigentlich gerade los ist.

Wir wälzen ein Thema oder Problem im Kopf herum und kommen nicht wirklich weiter. Früher oder später geben wir genervt auf, weil keine Lösung in Sicht ist. „Dann isses jetzt halt einfach so, wird schon wieder werden“, denken wir uns.

Und lassen uns vielleicht noch ein bis zehn mehr oder weniger gute Gründe einfallen, warum alles gar nicht so schlimm ist. Zum Beispiel, weil wir uns selbst eigentlich ja ganz dufte finden. Und ganz ehrlich, wenn die Welt oder Mitmenschen nicht mit uns klar kommen… können wir uns immer noch einreden, dass so ein gepflegtes Einzelkämpfer-Dasein doch eigentlich ganz schick ist! Scheiß auf die Welt! Scheiß auf Andere!

Gefühle sind aber dummerweise ein bisschen so wie kleine Kinder. Die wollen Aufmerksamkeit. Wenn Kinder hinfallen, sich das Knie blutig schlagen und du nur aus der Ferne lässig rüber winkst und rufst: „Nicht so anstellen, das heilt schon wieder!“ dann ist das Geschrei groß. Zu Recht. Du solltest mal näher ran gehen und gucken, was gerade gebraucht wird. So ist das auch mit den Gefühlen.

Wie man sich selbst helfen kann, sich besser zu fühlen

Dieser Text ist für alle, die sich dann doch, früher oder später, gerne selbst helfen wollen, weiterzukommen. Die wissen wollen, wie das mit der emotionalen Wundversorgung denn nun geht. Denn um ehrlich zu sein: Ja, manche Probleme lösen sich von allein wieder in Wohlgefallen auf. Andere brauchen beim sich Auflösen dann doch ein bisschen Starthilfe. Deshalb gibt es hier ein paar Strategien und Ideen zum Ausprobieren an die Hand.

1. Hinschauen und Bestandsaufnahme machen

Manchmal wissen wir vielleicht gar nicht, wie es uns gerade eigentlich geht. Das ist normal, gerade bei komplexen Geschichten (Streit, Trennung, Probleme in der Arbeit…). Da spielt dann viel Verschiedenes mit rein und wir sehen erstmal nicht klar.

Genau hier kann man den Hebel aber sinnvoll ansetzen: Nimm wahr, wie es dir geht –körperlich und emotional. Wut kannst du zum Beispiel an körperlicher Anspannung, erhöhtem Puls oder Verkrampfungen (z.B. fester Kiefer) erkennen. Vielleicht bemerkst du aber auch andere Merkmale wie einen Kloß im Hals, ein ungutes Gefühl im Magen oder Ähnliches. Wahrscheinlich hast du auch bestimmte Gedanken.

2. Durchblick kriegen

Manchmal wird es dir leichtfallen, zu erkennen, wie es dir geht. Bei manchen Gefühlen oder Zuständen ist das schwierig. Wenn das der Fall ist, hilft es, dich zu sortieren. Was macht dich sauer? Was traurig? Womit fühlst du dich vielleicht gerade überfordert? Man kann sich das auch mal kurz aufschreiben, dann muss man nicht alles im Kopf behalten. Okay, jetzt hast du schon mal einen besseren Überblick. Wenn du einordnen kannst, wie es dir geht und du vielleicht sogar schon erste Anhaltspunkte hast, warum, ist das super. Wer sich gut kennt, kann sich gut helfen.

3. Versorgungsmodus starten

Gefühle können unangenehm sein, haben aber immer einen Sinn. Sie weisen uns auf Dinge hin. Wut zeigt uns, dass unsere Grenzen oder Bedürfnisse verletzt wurden. Traurigkeit zeigt uns, dass wir zum Beispiel etwas Wertvolles verloren haben. Angst zeigt uns mögliche Bedrohungen an. Jedes Gefühl braucht etwas Anderes, um versorgt zu sein. Traurigkeit braucht Aufbauendes, Tröstendes. Wut will seine viele Energie irgendwo rauslassen oder Anderen mal klar die Meinung sagen. Angst wünscht sich Sicherheit.

Sicher kennst du schon diverse Möglichkeiten, wie du mit dir umgehen kannst. Sinnvoll wäre es, wenn alles, was ins Ungesunde geht, nicht zu oft genutzt wird. Oder aber durch gesunde Strategien ergänzt wird. Heißt:  Alkohol- oder Drogenkonsum, sich in die Arbeit oder in den Sport oder sich in ablenkende One-Night-Stands stürzen – kann man schon mal machen. Hilft aber oft nicht auf Dauer, beziehungsweise reicht zur gescheiten Selbstversorgung halt einfach nicht aus. Ist so. Also stell dir lieber auch eine Werkzeugkiste mit Methoden zusammen, die weder kurz- noch langfristig schädlich für dich sind.

4. Action: Tu was – für dich

Manchmal hilft uns Sport zum Abreagieren, ein Abend mit Freunden oder einfach mal nichts zu tun. Dann geht es uns besser. Super. Und wenn nicht? Auch hier ist der Trick wieder: Nicht gleich aufgeben. Überlege dir: Auf was hätte ich gerade Lust? Was brauche ich grad? Mit wem würde es mir gerade helfen, Zeit zu verbringen? Vielleicht gibt es auch Angenehmes, was ich für die nächsten Tage planen kann?

Selbstversorung für Fortgeschrittene

Mit diesen vier Schritten kommst du schon mal ziemlich weit, wenn es darum geht, dich wieder in die Ausgeglichenheit zu manövrieren. Wer sich ins Advanced Level aufschwingen möchte, für den gibt es hier die Extra-Tipps:

1.Du. Darfst. Dich. Schlecht. Fühlen. 

Vielleicht hast du das Gefühl, du solltest dich und deinen Seelenhaushalt immer und überall souverän im Griff haben. Hätten wir alle gern. Aber: Wir sind Menschen. Und Menschen straucheln und fallen auch mal. Oder wissen nicht weiter. Wirklich „wetterfest“ fürs Leben sind doch diejenigen, die lernen, mit den emotionalen Stürmen gut umzugehen.

Also nochmal in Kurzform: Dir darf es mal schlecht gehen. Du darfst mal nicht weiterwissen. Sogar wenn du ein Junge oder Mann bist! Wahnsinn, oder? Die Alternative wäre nämlich, dass du alle unangenehmen Gedanken und Gefühle, die in deinem Leben so in dir auftauchen, immer ganz schnell wieder nach ganz unten stopfst. Aber so mit sich selbst verstecken zu spielen, ist im besten Fall albern, im schlimmsten Fall verdammt ungesund.

2. Anderen geht es auch nicht anders

Das heißt jetzt nicht: „Stell dich nicht so an, den anderen geht es noch viel schlechter als dir!“ Nein. Es heißt eher so viel wie: Wir Menschen sind keine Inseln. Übrigens auch keine Roboter, noch nicht. Wir sind auf Kontakt und Austauschen angewiesen, können ohne nicht überleben.

Wenn wir mit Anderen wirkliche Verbindung aufnehmen und uns auch mal darüber austauschen, wie es uns gerade wirklich geht, kann das unglaublich erleichternd sein. Weil wir dann nämlich merken: Hey, der andere hat auch nicht immer alles im Griff. Der ist auch manchmal richtig down. Und zusammen ist man bekanntlich weniger allein, um mal einen super Filmtitel hier einzubringen. Also: Mutig sein, reden.

3. Lass mal den Profi ran

Kennst du das, wenn du dir einbildest, deinen PC allein reparieren zu können? Und du dann vor ausgebauten Kleinteilen sitzt und noch weniger Durchblick hast als vorher? In so einer Situation ist es clever, dann doch mal jemanden zu holen, der von der Sache mehr Ahnung hat.

So ist das auch mit dem Seelenkram – verdammt komplexe Sache mit vielen, ineinander verschachtelten, verknäuelten Kleinteilen. Kein Wunder, dass man da manchmal nicht weiß, wo oben und wo unten ist!  Zum Glück gibt’s auch für sowas Spezialisten. Die findest du zum Beispiel in kostenlosen Beratungsstellen, in die du sogar anonym gehen kannst. Oder in therapeutischen Praxen, Ambulanzen oder Kliniken.

Beratungsstellen sind oft ein guter Anfang, weil man da mal ohne großen vorherigen Aufwand gemeinsam sortieren kann. In einem oder mehreren Gesprächen, ganz, wie du das willst.

In diesem Sinne wünsche ich dir alles Gute, pass auf dich auf!

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