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Gegen die Panik

Foto: Sven Huls via Pexels

Das Leben von Chris Gust, Autorin, Gründerin von Mutruf, Autorin und Künstlerin war lange Zeit von Angst und Panik bestimmt. Hier erzählt sie davon, wie sie ihre Angst besiegt hat und ihrem Einsatz dafür, dass auch andere den Weg in ein panikfreies Leben schaffen.

Mein Name ist Chris und viele Jahre haben Angst & Panik mein Leben dominiert.

Nach einer langen Zeit, die geprägt war von Angst- und Panikzuständen, habe ich meinen Weg „zurück zu mir selbst“ gefunden, Muster und rote Fäden aufgedeckt, endlich verstanden und es mir fortan zur Aufgabe gemacht, mit allem, was ich bin und kann in der Gesellschaft etwas an der Tabuisierung von Angststörungen, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen zu bewegen.

 

Meine Geschichte in Kurzfassung: 

Angesehen hat mir niemand etwas, ich habe alles trotzdem gemacht, wollte auf gar keinen Fall „versagen“, klein beigeben oder Gefahr laufen, dass jemand merkt, dass die banalsten Dinge für mich Ähnlichkeit mit einem bevorstehenden Fallschirmsprung hatten und nicht so selbstverständlich waren wie für andere (und mich früher). Auch wenn ich beim Einkaufen, im Wartezimmer eines Arztes, auf der Autobahn, in Tunneln oder wahlweise auf Brücken, selbst in meinem eigenen Bett unzählige Male „mal eben wieder gestorben bin“, es mich gefühlt übermenschliche Kräfte gekostet hat, alle möglichen Situationen überhaupt durchzustehen und ich diesen Kampf noch Stunden später in jeder Faser gespürt habe, war genau das in den ersten 6 Jahren meine Herangehensweise, weil man „so was“ doch nicht hat…

Niemand sucht sich eine Angststörung aus, genauso wenig, wie jemand sich für Burnout, Magengeschwür oder Migräneattacken oder Ähnliches entscheidet, nur ist das mittlerweile gesellschaftlich „akzeptiert“.

Auf der Suche nach Lösungen habe ich in all den Jahren mein eigenes kleines Studium betrieben, in punkto Angst macht mir so schnell niemand etwas vor. Mit Achtsamkeitstraining und (geführten) Affirmationen und Visualisierungen (üben, üben, üben…) habe ich sehr gute erste Schritte gemacht, aber für mich gehörte viel mehr dazu und weil ich so oft gefragt wurde, wie ich es geschafft habe, habe ich meine ganz persönliche Geschichte aufgeschrieben. Diese habe ich in meinen Büchern „Du bist so viel mehr als Deine Angst!“ und „Wie du deiner Angst den Schrecken nimmst“, in dem ich Tipps von A bis Z gebe, sozusagen das „Angstbuch für Dummies“, absolut liebevoll gemeint, denn es schockiert mich, wie viele Menschen bei den heutigen Möglichkeiten noch nicht einmal über die Basics bei psychischen Erkrankungen Bescheid wissen, bzw. wie viel tatsächlich denken, sie wären allein damit.

Mein Weg aus der Angst führte wirklich durch die Angst. Allerdings nicht in Form des Kämpfens, wie ich es in den ersten Jahren tat, sondern durch wachsendes Vertrauen in mich selbst, durch fundiertes Wissen, was genau im Körper passiert, damit einhergehend die Gewissheit, dass die Befürchtungen, die Panikler (Panikler ist ein von mir erfundener Oberbegriff, der stets alle Geschlechter einschliesst) haben, schlicht und ergreifend nicht zutreffen und dann das schrittweise Erlernen, dass die Angst wieder verschwindet (wenn man sie nicht durch Bekämpfen intensiviert), weil sie einem festgelegten Ablauf hat. Mit der Zeit wurde ich immer ruhiger, sicherer und habe meinen Weg gefunden. Mir persönlich hat dabei auch meine Leidenschaft | mein Beruf, das Malen, geholfen. Beim kreativen Prozess komplett zu versinken, den Punkt nicht zu bemerken, an dem die lärmenden und lähmenden Gedanken zur Ruhe kommen und sich einzulassen auf die heilende Kraft dieses meditationsähnlichen Prozesses hat mir gerade in den schwersten Jahren unheimlich geholfen.

So entstand während meines eigenen Befreiungsprozesses ein mit Emotionen überladenes (Selbst-) Bild und die Resonanz darauf und auf mein begleitendes Outing war so überwältigend, dass daraus die Bilderserie „colours of SOUL of colours“, und alles weitere entstanden ist.

 

Mein Einsatz gegen die Angst

Inzwischen fügt sich tatsächlich magisch ein Teilchen zum anderen, wächst und führt mich immer weiter, wurde zu meiner Berufung – in den Köpfen der Gesellschaft durch Aufklärung etwas zu verändern und Betroffenen meine eigenen Kämpfe und Umwege zu ersparen, Mut zu machen, darum geht es. Das tue ich:

…als Künstlerin mit der Bilderserie, in der bereits über 50 Prominente im wahrsten Sinne des Wortes Gesicht zeigen (für die Unterstützung bedanke ich mich, indem ich die kompletten Verkaufserlöse an das jeweilige Herzensprojekt spende);

…als Autorin, mit meinen Büchern, Artikeln und Posts;

…als Gründerin und Vorsitzende von „Mutruf“ – einander Halt geben e.V.
„Mutruf“ ist ein Telefondienst, den ich gegründet habe, damit Menschen eine Panikattacke nicht alleine durchstehen müssen. Ehemals selbst Betroffene bieten aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen ehrenamtlich nun anderen Paniklern eine verständnisvollen Gesprächsmöglichkeit an. Wir wollen für andere da sein, denn Angst macht verdammt einsam.

…als Coachin und Mental Health Aktivistin, weil Prävention, Aufklärung/Offenheit und Akzeptanz eine viel größere Rolle in unserer Gesellschaft spielen sollte!

Wenn du bis hierher gelesen hast, habe ich wohl schon etwas Aufmerksamkeit für dieses Thema erreicht: Im Laufe seines Lebens leidet ca. jeder 6. Deutsche einmal unter einer Angststörung. Angststörungen treten laut einer internationalen Studie häufiger auf als Depressionen. (Quelle: DGPPN, Pressemitteilung 2017). Grund genug wie ich finde, dazu zu stehen und im Idealfall anderen zu helfen- je mehr Menschen sich trauen zu sagen: „Das kenne ich auch!“, oder „Ich kenne jemanden, den das betrifft.“, umso deutlicher wird werden, wie häufig Angststörungen sind und dass zumindest eines für die Betroffenen so schnell wie möglich aufhört: sich dafür zu schämen, dass man „so was“ hat…

 

Kürzlich habe ich gelesen: „Kurz nicht nachgedacht und ZACK – glücklich!“ 

Das ist es, was Panikler sich oft wünschen und ich zeige mit meinen Projekten Möglichkeiten auf und möchte Betroffenen die Hand reichen und direkt und unkompliziert Hilfe anbieten. Wenn unser Kopf und unser Herz mit positiven, schönen Erlebnissen beschäftigt und erfüllt sind, ist kein Platz für Angst, nur muss man da erst einmal wieder hinkommen…

Ich weiß, dass die Angst immer mein Begleiter sein wird, aber sie hat ihre Übermächtigkeit nicht mehr. Im Gegenteil, ich weiß, dass meine Seele sie für mich als „Hilfsmittel“ auserkoren hat, um mir zu zeigen, wenn ich gegen mich selbst handele.

Solltest du selbst betroffen sein, möchte ich dir etwas mit auf den Weg geben, weil wir Panikler meist einen falschen Perfektionsanspruch haben: You are already perfect, darling.

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