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Der Weg zu mir

Foto: Lilartsy via Pexels

Mascha (24) ist seit ihrer Jugend von psychischen Erkrankungen betroffen. Neben Therapie und psychologischer Unterstützung haben ihr vor allem die Musik und das Schreiben von Gedichten beim Überwinden ihrer Erkrankungen geholfen. Aus ihren Gedichten ist ihr Buch „Der Weg zu mir“ enstanden, in dem sie in lyrischer Form ihren Weg zurück ins Leben beschreibt, um damit anderen Betroffenen Mut zu machen. Hier erzählt sie von ihrer persönlichen Geschichte und zeigt anhand eines ihrer Gedichte, warum es sich immer lohnt, an sich zu glauben und gegen die Krankheit anzukämpfen.  

 

Die Dunkelheit in mir

Ich war 13, als alles anfing, schwierig zu werden. Nach einem Schicksalsschlag merkte ich, wie ich immer mehr Zeit mit Nachdenken verbrachte, über den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meine Zukunft und meine Wirkung nach außen. Ich zog mich immer mehr zurück, tat aber so, als ob es mir gut ging. Niemand sollte bemerken, dass dies nicht der Fall war.

Jeden Morgen, wenn ich zur Schule ging, setzte ich eine Maske auf und zog mein Glitzerkostüm an, damit bloß keiner sehen konnte, wie dunkel es in mir drin aussah.

Wenn ich nach Hause kam, war ich froh, das Kostüm endlich ausziehen zu können, die Maske abzulegen. Doch schnell merkte ich, wie ich einsam wurde. Ich ließ niemanden mehr an mich heran – ich konnte es nicht und keiner schien zu sehen, dass es mir immer schlechter ging. Ich begann zu schreiben. Wenigstens auf dem Papier konnte ich meinen Gefühlen Ausdruck verleihen, durfte ich so sein, wie ich mich fühlte. Manchmal erschrak ich vor dem, was ich schrieb, aber gleichzeitig fühlte ich mich befreit, wenn die Gefühle wenigstens dort ihren Platz fanden.

Die Zeit verging, aber anstatt dass es mir besser ging, schien alles nur noch schlimmer zu werden. Ich begann mich selber zu verletzen, aber auch dieser Hilfeschrei blieb ungesehen.

Ich spielte Klavier, wenigstens dort konnte ich mich ausdrücken, meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Diese zwei Dinge, das Schreiben und das Klavierspielen, waren mein Rettungsring. Ansonsten war ich sehr allein, kämpfte jeden Tag aufs Neue zu überleben, obwohl ich mich eigentlich schon so fühlte, als ob ich nicht mehr existieren würde.

 

Hilfe aus der Not

Schließlich traute ich mich zur Schulpsychologin zu gehen und plötzlich war da jemand, der mich und meine Not ernst nahm. Damit konnte ich zu Beginn gar nicht umgehen. Ich sprach kaum. Allerdings schrieb ich ihr E-Mails. In denen brachte ich mein inneres Leid zum Ausdruck und dadurch, dass sie mir Raum gab und sich Zeit nahm, zeigte sie mir, dass auch ich wichtig bin. Lange Zeit waren die Gespräche mit ihr das, was mir im Alltag noch Hoffnung gab. Trotzdem war relativ schnell klar, dass das nicht ausreichte und ich in eine Klinik musste.

Ich vertraute ihr, war froh die Kontrolle abgeben zu können und ließ mich einweisen.

In der Klinik stellte ich fest, dass man auf die Frage „Wie geht’s?“ nicht immer nur „gut“ antworten muss. Ich lernte, dass es auch andere Menschen gibt, denen es schlecht geht und dass das okay ist. Plötzlich war da ein Team an Ärzt:innen und Pflegekräften, die sich um mich und meine Gesundheit sorgten.

 

Mein Weg zu mir

Es war relativ schnell klar, dass ich nicht mehr nach Hause zurück sollte und so zog ich mit 18 Jahren in eine Wohngruppe.

Dort konnte ich mich ausprobieren, lernen, selbstständig zu werden, meine Grenzen kennenlernen und das immer mit professioneller Unterstützung. Es fing an, mir besser zu gehen. Ich stellte fest, dass zu leben eine Entscheidung ist, die man immer wieder aufs Neue treffen muss. Ich lernte, welche Ressourcen in mir stecken und lernte auch, diese anzuerkennen. Ich lernte wieder zu sprechen, Hilfe einzufordern und Bedürfnisse zu äußern. Gleichzeitig machten wir aber auch viele schöne Dinge in der Wohngruppe, wie in Urlaub fahren, spielen oder kochen, sodass ich auch lernte, wieder neues Vertrauen zu fassen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich so viel geschrieben habe. Dadurch konnte ich mich selber reflektieren, mich nochmal anders kennenlernen und so entstand auch das Buch „Der Weg zu mir“, in welchem ich meine Geschichte festhalte, um zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beizutragen.

Ich kann sagen, dass ich meinen Lebenswillen wiedergefunden habe und dass ich gerne lebe. Wenn es mir nicht gut geht, weiß ich, wie ich damit umgehen kann und dass das auch wieder vorbeigeht.

Eine psychische Erkrankung kann mit Hilfe von Therapien und einem gesunden Umfeld auch zu einer Stärke werden und ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung machen darf!

 

Dem Mut auf der Spur

Mir ging es nicht gut eine sehr lange Zeit,

Und so machte ich mich eines Tages bereit

Für die Reise, auf der ich den Mut finden wollte,

Denn ich fand, dass die Angst nicht mein Leben bestimmen sollte.

 

Zaghaft machte ich mich auf den Weg,

Habe mir selber oft Steine in den Weg gelegt.

Wäre dann gerne einfach umgekehrt,

Doch ich ließ mich leiten, habe mich nicht gewehrt.

Dann wurde ich auch öfters mal geschubst,

Aber ich gebe ja zu, es hat was genutzt.

 

Denn auf der Reise den Mut zu finden,

Musste ich mich so oft überwinden,

Doch habe ich immer mehr gemerkt,

Wie sehr mich die Überwindung bestärkt.

 

Natürlich war ich die ganze Zeit wachsam,

Denn ich war ja auf der Suche nach dem Mut

Und ich fragte mich insgeheim: „Wie macht man,

dass er einem folgen tut?“

 

Aber ich schob die Zweifel beiseite, ging weiter,

Ignorierte die Angst, denn das schien mir gescheiter.

Und ich ging über Wiesen, ging über Felder,

Wanderte über Berge, durch Wälder.

Schwitzte bei Hitze,

Der Wind war eisig kalt.

Ich sah nur den Schatten meiner Gestalt.

 

Und ich hatte das Gefühl, es geht nur noch bergauf

Und ich hatte Angst zu fallen, sobald ich verschnauf‘.

Aber ich merkte auch, wie ich nicht mehr so viel denken musst’

Und dadurch wurde mir immer stärker bewusst,

Was ich brauchte und was ich fühlte-

Eine neue Sicherheit, die mich umhüllte.

 

Und so konzentrierte ich mich wieder auf den Weg,

Aber vom Mut keine Spur.

Vielleicht fand ihn jemand anders und ich war zu spät,

Wo steckt dieser Mut denn nur?

 

Und ich spürte meine schmerzenden Glieder

Und ich beschloss eine Pause zu machen.

Ich bin sehr weit oben, blicke hinab

Und muss plötzlich innerlich lachen.

 

Ich sehe den Weg, den ich gegangen bin

Mit all seinen Schluchten und Steinen.

Ich begreife, der Mut, der ist in mir drin

Und ich fange an zu weinen.

 

Ich hatte so Angst vor dem ersten Schritt

Und ich habe ihn trotzdem gemacht,

Dass das auch ein bisschen mutig ist,

Habe ich gar nicht bedacht!

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