Schon davon gehört? Marit über „Frank Ocean“ von Sophie Passmann
Wie sich psychische Erkrankungen anfühlen, das ist manchmal ganz schön schwer zu beschreiben. Für Außenstehende bleiben sie oft unsichtbar oder werden nicht ernst genommen. Dabei ist es durchaus möglich, zumindest ein bisschen besser zu verstehen, wie sich Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder anderen psychischen Erkrankungen fühlen – zum Beispiel dank der vielen Autor:innen, Filmemacher:innen und Künstler:innen, die es geschafft haben, psychische Erkrankungen so gut in Worte, Bilder, Geschichten oder Musik zu verpacken, dass sie dadurch greifbarer werden. In unserer Reihe „Schon davon gehört?“ teilen wir deshalb Bücher, Musik, Filme oder Serien, die uns persönlich berühren und von denen wir glauben, dass mehr Menschen sie kennen sollten. Damit das Verständnis und die Empathie für psychisch erkrankte Menschen größer wird, und weil sie Betroffenen helfen können, sich verstanden zu fühlen.
„Ich nahm jetzt also Medikamente und hatte fest vor, ein anderer Mensch zu sein. Auf dem Baststuhl meines Therapeuten weinte ich weniger und redete viel, danach ging ich erschöpft nach Hause, und in jeder freien Sekunde hörte ich Blonde.“ – Sophie Passmann
In diesem hübschen kleinen Büchlein, das Teil der KiWi-Musikbibliothek ist, erzählt Sophie Passmann von einem Jahr ihres Lebens, in dem sich depressive Episoden mit intensiven manischen Phasen abwechselten, bis sie lernte, mithilfe von Therapie und Medikamenten mit ihnen umzugehen. Warum das Buch nach dem amerikanischen Rapper Frank Ocean benannt ist? Weil dessen großartiges Album Blonde im Sommer eben diesen Jahres erschien und Sophie Passmann durch diese Zeit, in der die bipolare Störung ihr Leben bestimmte, begleitete. Entlang der Tracklist von Blonde erzählt Passmann von diesem Jahr und macht dabei greifbar, was sich – neben den Lyrics von Blonde – in ihrem Kopf abspielte. Das Buch ist mit seinen 96 Seiten schnell gelesen, und wer Sophie Passmann kennt, weiß, dass ihre Texte selbst bei einem so ernsten Thema nicht ohne eine gewisse Portion Witz und Selbstironie auskommen. Deshalb ist “Frank Ocean” die ideale Lektüre für alle, die ein bisschen besser nachvollziehen möchten, was eigentlich in depressiven Episoden, manischen Phasen und dem Dazwischen so im Kopf einer betroffenen Person passiert – ohne sich dabei in allzu detaillierten Beschreibungen oder gar wissenschaftlichen Erklärungen zu verlieren. Nein, Sophie Passmann schafft das mit nur wenigen Sätzen, ganz schnörkellos, und obwohl dieser Text niemals auf die Tränendrüse drückt, lässt er ziemlich sicher keine:n Leser:in kalt.
Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, 2019 | 96 Seiten | 10 Euro | Mehr Info