0800 – 111 0 111
TELEFONSEELSORGE
Sorgen teilen. Anonym.
Täglich. Rund um die Uhr.

116 111
KINDER- UND JUGENDTELEFON
Nummer gegen Kummer. Anonym.
Mo-Sa. 14-20 Uhr erreichbar.

Soforthilfe

Jung und unfruchtbar: Mein Umgang mit der psychischen Belastung

Jung und unfruchtbar: Mein Umgang mit der psychischen Belastung

Kristina ist eine junge Frau, der während ihrer Pubertät Monosomie X diagnostiziert wurde. Dabei handelt es sich um einen genetischen Fehler, der unter anderem dazu führt, dass es einen Mangel an weiblichen Sexualhormonen gibt und der auch zu Unfruchtbarkeit führen kann. In diesem Beitrag berichtet Kristina von der psychischen Belastung, die damit einhergeht keine leiblichen Kinder bekommen zu können, sich nicht wie eine richtige Frau zu fühlen und wie sie einen Umgang damit gefunden hat.

Monosomie X und Ich

Mit 14 Jahren habe ich erfahren, dass ich das Ullrich-Turner Syndrom habe – auch Monosomie X genannt. Das bedeutet im Prinzip, dass bei den Mädchen eine genetische Veränderung an einem der zwei X-Chromosomen stattgefunden hat. Entweder fehlt ein ganzes X Chromosom oder ein Teil eines X-Chromosoms ist verändert. Zusammengefasst ist es ein genetischer Defekt welcher bei Mädchen zu fehlendem Wachstum und einem Mangel an weiblichen Hormonen führt.

Was hieß das für mich?

Ich musste mich mich dieser – meiner – Erkrankung auseinandersetzen. Drei Jahre spritzen von Wachstumshormonen, regelmäßige Arztbesuche. Für ein pubertierendes Mädchen, das eigentlich normal sein wollte, war das ziemlich viel. Zudem war es ein Zufallsbefund, da ich einfach zu klein für mein Alter war. Darauf folgten Blutentnahmen mit genetischer Untersuchung.

Normalerweise kann man heutzutage mit der fortschrittlichen Medizin schon in der Schwangerschaft genetische Veränderungen feststellen. Dementsprechend habe ich mich oft gefragt, wie es gewesen wäre, wenn ich schon früher von meiner Erkrankung erfahren hätte.
Meine Pubertät hatte ich nicht zur selben Zeit wie meine Klassenkamerad:innen, sondern erst viel später. Mir fehlte etwas. Ich sah es bei mir, an meinem Körper. Ich fühlte mich nicht weiblich, weil ich nicht die gleiche Entwicklung wie die anderen Mädchen durchmachte.

Körperliche Therapie & Informationen sammeln

Was mir geholfen hat, war natürlich die weiterführende Behandlung. Nach dem Spritzen der Wachstumshormone, begann ich weibliche Hormone in Tablettenform einzunehmen. Das war der Punkt, an dem ich anfing, mich wohl zu fühlen. Ich bemerkte wie mein Körper sich verändert und ich sozusagen in die verspätete Pubertät kam – mit 17 Jahren.

Wie geht man damit um wenn man erfährt, dass man einen genetischen Defekt hat?
Am Anfang fühlte ich leichte Scham und hatte den Eindruck, dadurch nicht wertvoll zu sein.
Bis auf die fehlende weibliche Entwicklung und meine Körpergröße, hat man mir optisch nichts angesehen. Jedoch zu wissen dass ich etwas hatte, eine Veranlagung, war zumindest am Anfang nicht einfach.

Deshalb habe ich viel gelesen, mich informiert. Sogar meine Facharbeit in der Schule habe ich darüber geschrieben, weil ich diese Erkrankung einfach verstehen wollte. Und ich hatte das Gefühl darüber informieren zu wollen, etwas von meinem Wissen weitergeben zu wollen. Also hielt ich auch ein Referat dazu. Für mich war das die Art der Verarbeitung.

Unfruchtbarkeit

Meine Erkrankung zu kennen und zu verstehen war ein prägender Punkt, vor allem weil eins dazu kam. Ich erfuhr, dass ich keine Kinder bekommen kann. Beim Ullrich Turner Syndrom ist es zwar in manchen Fällen möglich schwanger zu werden und Kinder zu kriegen, aber bei mir wurde es ausgeschlossen.

Ich war 14 und erfuhr zum ersten Mal, dass die Chance besteht, dass ich unfruchtbar bin und keine Kinder bekommen könnte. Mit 26 habe ich den Schritt gewagt, in ein Kinderwunschzentrum zu gehen und herauszufinden ob es möglich ist oder nicht. Ende 2020 war der Befund dann da, dass ich weder auf natürlichem Wege, noch durch eine künstliche Befruchtung schwanger werden kann.

Ich kann also keine Kinder kriegen. Das Gute ist, dass ich mich schon lange darauf eingestellt hatte. Aber es nochmal schwarz auf weiß, in dem Bericht zu lesen war schwer. Denn es wurde zur Realität.

Bin ich wertvoll?

Mit 17 habe ich schon darüber nachgedacht, was passiert wenn das wirklich der Fall ist und beschloss, dann möchte ich adoptieren. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ich habe meinen Fokus auf die Akzeptanz gelegt, denn ich kann an meiner Situation nichts ändern. Aber ich kann etwas zurückgeben und Gutes tun.

Nichtsdestotrotz kamen mit dem Befund nochmal Zweifel.
Wie reagiert mein zukünftiger Partner?
Bin ich gut, so ich wie ich bin?
Bin ich wertvoll?

Denn einerseits, fühlte ich mich als würde mir meine Weiblichkeit damit weggenommen werden und ein Teil, vom Frau-Sein. Ich fühlte mich nicht vollständig, vor allem weil ich den Hormonmangel nun auch symptomatisch merkte. Frühzeitige Wechseljahre kamen hinzu, damit Hitzewallungen. Zusätzlich eine Situation mit der ich umgehen muss.

Akzeptanz

Die Akzeptanz hat mir schließlich geholfen zu erkennen, dass ich gut bin, so wie ich bin. Sie hilft mir auch eine andere Perspektive einzunehmen und meinen Fokus auf Ziele zu legen und das was ich noch alles machen möchte. Zum Beispiel Reisen, ehrenamtlich arbeiten, mich weiter fortzubilden und mich beruflich weiter zu entwickeln. Klar, könnte ich auch weiter traurig sein, mich bemitleiden – aber das würde nichts ändern.

Ich habe erkannt dass ich die komplette Verantwortung dafür habe, wie ich mit der Situation umgehe und was ich daraus mache. Keine Kinder kriegen zu können, macht mich nicht weniger wertvoll als Mensch, nicht weniger wertvoll als Frau.
Wir dürfen und sollen uns so akzeptieren, wie wir sind.

nach oben