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Balance in Beziehungen – Wie uns das richtige Maß an Nähe und Distanz gelingt

Bild: HelloBetter

Manchmal gerät unser Leben aus dem Gleichgewicht. Durch die vielen einschränkenden Maßnahmen in der Corona-Zeit verändern sich auch unsere Beziehungen zu Freund*innen, der Familie oder zum bzw. zur Partner*in.

Kontaktbeschränkungen, Quarantäne und Social Distancing – all diese Maßnahmen führen massiv dazu, dass unsere Grundbedürfnisse nach Bindung und Nähe sowie Kontrolle und Selbstbestimmung verletzt werden. Es fehlt die gesunde Mitte: Mit manchen Menschen wird es auf einmal viel zu viel und zu eng. Andere sind weit weg und nicht mehr erreichbar.

Dr. Alena Rentsch von HelloBetter klärt … 

Wie können wir in schwierigen Zeiten einen gesunden Kontakt zu unseren Liebsten halten? Und was ist mit denjenigen, die sich einsam fühlen?

In jeder Beziehung – egal ob zu unseren Freund*innen, Mitbewohner*innen, zur Familie oder zum bzw. zur Partner*in – ist es wichtig, eine Balance zu finden. Ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen sowie Distanz und Nähe. Hier sind 6 Strategien, um dich wieder ausgeglichen in Beziehungen zu fühlen und sicher über die Weihnachtsfeiertage zu bringen.

#1 Jeder tickt anders.

Manchen hilft es Klopapier und Schokolade zu horten, andere tun so, als sei nichts gewesen. Das sind zwar Extrembeispiele, aber denk daran, dass andere Menschen sich anders anpassen als du. Lass ihr bzw. ihm die Freiheit mit der Situation auf ihre bzw. seine Art umzugehen.

In den wenigsten Beziehungen ist man sich über alle Maßnahmen und Verhaltensregeln einig: Umarmen wir uns zur Begrüßung? Treffen wir uns wirklich nur draußen? Laden wir noch andere ein? Feiern wir Weihnachten zusammen? Eine eindeutige Antwort auf viele dieser Fragen haben die meisten nicht, die Regeln und Vorgaben der Bundesländer ändern sich und so auch unsere Meinungen zum richtigen Verhalten in verschiedenen Situation.

Umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Lieben im Gespräch bleiben: Sich austauschen, nachfragen, um die Perspektive des anderen zu verstehen und nicht den bzw. die andere von der eigenen Meinung zu überzeugen.

#2 Aktiv Zeit miteinander verbringen.

Gerade weil wir nur noch wenige unserer Lieben zu Gesicht bekommen, ist es umso wichtiger, dass wir Gespräche führen, wir uns geborgen und nah fühlen. Warte daher nicht darauf, dass andere dich kontaktieren, sondern traue dich selbst, den ersten Schritt zu machen.

Der- bzw. diejenige wird sich über deine Nachricht freuen und es wertschätzend aufnehmen. Um es dir einfacher zu machen, könntest du deine eigene Du-bist-mir-wichtig-Challenge starten: Bis Heiligabend kontaktierst du jeden Tag eine Person die dir viel bedeutet, egal ob ihr täglich Kontakt habt oder bei der du dich schon länger nicht mehr gemeldet hast. Wenn dir die Worte fehlen, frage einfach den anderen, wie es ihm bzw. ihr geht und höre zu – auch das kann dir ein Gefühl der Verbundenheit geben. Oder ihr schickt euch gegenseitig ein Foto eures Tages oder eine Sprachnachricht. So könnt ihr Nähe trotz Distanz schaffen.

Das gilt übrigens auch, wenn man plötzlich viel aufeinander hockt: Gerade dann ist es umso wichtiger, dass man ganz aktiv eine schöne Zeit zusammen plant und nicht nur nebeneinander her lebt. Warum nicht endlich mal alle Folgen der Lieblingsserie gucken? Ein besonderes Gericht von der letzten Reise kochen und dabei alte Urlaubsfotos durchstöbern? Oder in einem Blind Tasting herausfinden, welche die beste Nuss-Nougat-Creme ist?

#3 Sich Raum geben.

Wir Menschen brauchen immer einen angemessenen Ausgleich. Auch was Nähe und Distanz angeht. Für ein gesundes Miteinander, insbesondere wenn man auf engem Raum zusammenlebt, ist es wertvoll, auch mal die Tür zu schließen und bewusst das Alleinsein zu genießen.

Das funktioniert übrigens auch gut, wenn du alleine wohnst. Frage dich also: Was kann ich mir selbst Gutes tun? Oder anders gefragt: Was brauche ich? Versuche nicht nur im Großen, sondern vor allem im Kleinen zu denken: Setz die Kopfhörer auf und höre dein Lieblingslied, nimm dir Zeit zu meditieren, geh spazieren oder koch dir dein Lieblingsgericht aus der Kindheit.

Manchmal braucht es Überwindung, um selbstfürsorglich zu sein und sich Zeit für sich zu nehmen. Aber jede noch so kleine Bemühung wird ihre Wirkung nicht verlieren und du wirst dich statt einsam oder genervt vom anderen, geborgen und ausgeglichen fühlen.

#4 Konflikte klären.

Vielleicht geht dir dein bzw. deine Mitbewohner*in auf die Nerven oder eine*r deine*r Freund*innen hat sich schon wieder nicht bei dir gemeldet. Konflikte und Auseinandersetzungen gehören zu jeder guten Beziehung dazu. Denn es zeigt, dass wir uns tatsächlich miteinander auseinandersetzen und das bedeutet auch, dass man sich wichtig ist. Trotzdem fühlen sich die meisten Konflikte nicht gut an und man möchte sie klären. Wie gehe ich an so ein Gespräch ran?

Im ersten Schritt solltest du ansprechen, was los ist. Dabei kann es hilfreich sein, zu beschreiben, wie es dir geht und wie sich die Situation für dich anfühlt. Im zweiten Schritt kannst du die sogenannte VW-Regel verwenden: Vorwürfe vermeiden, Wunsch äußern. Konkret bedeutet das, anstatt zu sagen: “Du hast nie Zeit für mich”, versuch es mal mit “Ich würde mir wünschen, dass wir mal wieder länger telefonieren und ich dir erzählen kann, wie es mir geht”. Im dritten Schritt, achte darauf, dass du der anderen Person auch die Chance gibst, deinen Wünschen nachzukommen.

Vielleicht befolgt sie deinen Vorschlag, aber vielleicht zeigt sie auch auf andere Weise, dass dein Wunsch angekommen ist. Und manchmal musst du auch einfach etwas warten.

#5 Verbundenheit bewusst machen.

Aus der Forschung ist bekannt, dass Beziehungen dynamisch sind. Das heißt: Beziehungen sind stetig im Wandel und verändern sich. Insbesondere verändern sich Beziehungen stark, wenn Lebensumbrüche passieren, wie z.B. der Beginn des Studiums oder das Ende einer langfristigen Partnerschaft.

Oft bemerken wir in diesen Lebensumbrüchen oder Krisen, dass manche Beziehungen enger werden und andere weiter weg rücken. Hier kann es eine gute Idee sein, sich einmal bewusst zu machen, wer im Leben alles eine Rolle spielt. Eine schöne Übung aus der Psychotherapie, nennt sich das Soziale Atom.

Diese Übung dient der Visualisierung des eigenen sozialen Netzwerks. Nimm dir ein großes Blatt Papier und male als erstes einen Punkt, ein Herz oder einen Stern in die Mitte – das bist Du! Ausgehend von diesem Punkt werden drei Kreise um den Kern gezogen. Die Entfernung der einzelnen Kreise zum Mittelpunkt steht dabei symbolisch für die emotionale Nähe oder Distanz zu dir.

Menschen, die in deinem Leben eine Rolle spielen, sollen dabei auf oder in die Kreise gezeichnet werden. Wenn du möchtest, kannst du die Personen oder Gruppen ebenfalls mit Symbolen deiner Wahl zeichnen oder schlichtweg ihren Namen, Abkürzungen oder Gruppennamen verwenden. Auch Personen, die früher eine wichtige Rolle im eigenen Leben eingenommen haben, können in einen der drei Kreise eingezeichnet werden.

Die meisten Menschen stellen so fest, dass ihr soziales Atom größer ist, als gedacht. Und das Wichtigste ist: Nicht auf die Anzahl, sondern auf die Tiefe der Verbindungen kommt es an.

#6 Auf andere Acht geben.

Die Atom-Übung kann auch dabei helfen, auf Menschen aufmerksam zu werden, die ein wenig aus deinem Blickfeld geraten sind, aber die womöglich gerade nicht die Nähe und Verbundenheit zu anderen haben, die sie sich wünschen.

Es gibt viele Menschen, die alleine leben, sich aber nicht einsam fühlen und genauso viele Menschen, die mit anderen zusammen sind und doch tiefe Einsamkeit empfinden. Ob sich jemand einsam fühlt, ist daher nicht immer so einfach rauszufinden, aber vielleicht kannst du dir einmal überlegen: Wer in deinem Umfeld würde sich wohl besonders freuen von dir zu hören? Wem könnten die Feiertage schwerfallen? Wer traut sich vielleicht nicht sich selber zu melden?

In manchen Beziehungen darf es dann auch mal ein Ungleichgewicht geben: Denn es wird immer wieder Zeiten geben, in denen man mehr nimmt und Zeiten, in denen man mehr gibt. Dafür sind gute Freundschaften oder die Familie ja auch da.

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